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Berlin: Lange her, das Glücksgefühl

Bei den Bundestagswahlen im Zeichen der Einheit hat die Berliner SPD immer weit besser abgeschnitten als bei Wahlen zum Abgeordnetenhaus, ganz im Gegensatz zur CDU. Doch welche Rückwirkungen hat die rot-rote Senatskoalition auf das Wählerverhalten bei der Bundestagswahl am 22.

Bei den Bundestagswahlen im Zeichen der Einheit hat die Berliner SPD immer weit besser abgeschnitten als bei Wahlen zum Abgeordnetenhaus, ganz im Gegensatz zur CDU. Doch welche Rückwirkungen hat die rot-rote Senatskoalition auf das Wählerverhalten bei der Bundestagswahl am 22. September? Nach derzeitigen Umfragen muss sich die SPD warm anziehen, denn sie bleibt hinter ihrem Ergebnis von 1998 zurück, und die CDU ist ihr dicht auf den Fersen.

In der SPD verhehlt niemand, dass ihr der Wind gegen Rot-Rot vor allem in den Westbezirken ins Gesicht bläst. Das ist die Chance der CDU, die sich mit dem neuen Landeschef Christoph Stölzl als erneuerte Berlin-Partei empfehlen will. Im Wahlkampf sind alle Gegner, auch SPD und PDS. Die Sozialdemokraten müssen den Wählern erklären, warum sie die PDS auf Landesebene, aber nicht auf Bundesebene für regierungsfähig halten. Das will die SPD am Beispiel der Außen- und Sicherheitspolitik klar machen. Insofern hat ihr die PDS mit ihrem Eiertanz als opponierende Regierungspartei beim Besuch des US-Präsidenten einen Gefallen getan. Diffuses Verhalten bescheinigt die SPD der PDS auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Auf Landesebene steht die PDS zum Sparkurs, auf Bundesebene zieht sie die sozialpolitische Karte mit Ausgabenprogrammen.

Auf das Erscheinungsbild kommt es an. Die Berliner SPD-Führung hofft, dass der Schwung des Bundesparteitags vom 2. Juni auf den Kampfgeist abfärbt. Gelegenheit zur Heerschau ist der Landesparteitag am 16. Juni mit der Neuwahl des Landesvorstandes und einem Auftritt von Bundestagsfraktionschef Peter Struck. Landeschef Peter Strieder wird sich bei der Terminierung etwas gedacht haben. Es ist der Jahrestag des Machtwechsels; Selbstbewusstsein und Verantwortungsgefühl sollen beschworen werden. Am 16. Juni 2001 wurde der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) von der SPD mit Hilfe von Grünen und PDS gestürzt und Klaus Wowereit (SPD) zum Nachfolger gewählt. Damals war die SPD ausnahmsweise ein Herz und eine Seele, weil die Große Koalition vorbei war. Der CDU war die Bankenaffäre zum Verhängnis geworden.

Lange her, das Glücksgefühl. Inzwischen ächzt die SPD unter der Last als stärkste Regierungspartei. Die Sparpolitik macht ihr keinen Spaß, und der heftige Gegenwind nervt sie auch. So erlebt man jetzt wieder die alte nach innen gekehrte SPD-Basis, die sich lieber mit dem eigenen Innenleben als mit Politik für die Stadt befasst. Manche wollen ihren Unmut über Strieders Vorschläge zur Organisationsreform der Partei zum Hauptthema des Parteitages machen und Strieder bei seiner Wiederwahl wieder mal einen Denkzettel verpassen. Bekommt er ein dünnes Ergebnis, ist das natürlich kein Ausweis für Geschlossenheit und Entschlossenheit. Ungerührt meint der Spandauer stellvertretende Kreischef und Abgeordnete Daniel Buchholz: „Dem Bundestagswähler ist es egal, wer hier Parteichef ist.“

Bei den großen Wählersprüngen heutzutage kann sich niemand in Sicherheit wiegen. Bei der Bundestagswahl 1994 kam die SPD in Berlin auf 34, die CDU auf 31,4 Prozent. 1998 waren es 37,8 Prozent für die SPD und 23,7 Prozent für die CDU. Dagegen ging die CDU aus den Abgeordnetenhaus-Wahlen 1995 und 1999 als stärkste Kraft mit 37,4 und 40,8 Prozent hervor, während die SPD mit 23,4 beziehungsweise 22,6 Prozent Bauchlandungen machte. Bei der Berliner Wahl 2001 sank dagegen die CDU auf 23,8 Prozent, und die SPD bekam mit 29,7 Prozent den Siegerplatz.

Und am 22. September? Die SPD will sich die Umfragen nicht kleinreden lassen. Die Führung weiß aber auch, dass der Wahlkampf schwer wird. Brigitte Grunert

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