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Berlin: Langer Marsch am Ziel (Glosse)

Wer die wahren 68er sind, darf durchaus als umstritten gelten. Zumindest aus der Perspektive des langen Marsches an die Macht wechselte bisweilen die Perspektive.

Wer die wahren 68er sind, darf durchaus als umstritten gelten. Zumindest aus der Perspektive des langen Marsches an die Macht wechselte bisweilen die Perspektive. Zum 25-jährigen Jubiläum der Revolte 1993 rühmten sich jedenfalls der an den Schalthebeln der Regierungsarbeit angekommene CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus-Rüdiger Landowsky und einige christdemokratische Mitstreiter, sie seien die wirklichen Erben der Studentenbewegung. Erinnert wurde an die alten Zeiten, als man sich an der Uni noch als Mitglied schlagender Verbindungen mit den Krypto-Kommunisten fetzte.

Seitdem Rot-Grün im Bund regiert, dürften das Erbe jetzt wieder andere für sich beanspruchen - möglicherweise aber nur klammheimlich zu Hause vor dem Spiegel. Gehört zu den versteckten 68ern auch Chefredakteur W. von einer Berliner Boulevard-Zeitung? Indizien sprechen dafür.

Die Zeitung aus dem Hause Springer hat gestern eine "Mitfahr-Aktion gegen Benzin-Irrsinn" ins Leben gerufen. Ein runder Punkt, so die Aufforderung, soll an die Windschutzscheibe geklebt werden. Aufschrift: "Ich nehm dich mit." Mit roter Aufschrift natürlich. Halt, war da nicht was? Ja, die legendäre Rote-Punkt-Aktion von 1968, mit der die Studis zum Protest gegen die hohen Fahrpreise der BVG aufriefen. Das Volk wurde zum Mitfahren in die klapprigen Käfer und Enten eingeladen. Politische Agitation inbegriffen. Das waren noch Zeiten: Aufruhr und Widerstand als tägliches Brot des Revolutionärs. Erst jetzt ist der lange Marsch wirklich zu Ende: Angekommen im Springer-Haus, gegen das vor 30 Jahren Steine und Mollis flogen. Axel Cäsar Springer wird sich im Grab umdrehen.

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