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Schulsport, Aquafitness, Planschen – alles möglich in Berlins Bädern. Nur ambitionierte Schwimmer kommen immer zu kurz, meint unsere Autorin.

© dpa

Schwimmbäder in Berlin: Lasst mich schwimmen!

Schulsport, Aquafitness, Planschen – alles möglich in Berlins Bädern. Nur ambitionierte Schwimmer kommen immer zu kurz. Wir brauchen dringend mehr freie Bahnen und neue Becken. Notfalls können dafür auch alte Hallen geschlossen werden.

Manche schwimmen in Geld, ich schwimme im Wasser – und bin glücklich. Schwimmen heißt Bahnen ziehen, abtauchen, tausend Meter kraulen, im Rhythmus der Bewegung Stress wegschaufeln. Das ist nicht irgendeine Freizeitaktivität, sondern ein Muss – und zwar zwei- bis dreimal in der Woche. Sonst sinkt die Laune und die zwischenmenschliche Verträglichkeit nimmt rapide ab.

Berlin ist kein schlechter Standort für Schwimmer. Theoretisch. So viele Bäder findet man kaum woanders und es wird ja auch viel geboten: Schulschwimmen, Vereinstraining, Aquafitness, Spaßbaden, Schwimmkurse für jedes Alter und Tempo. Für Schwimmer wie mich bleiben allerdings nur die Randzeiten: morgens zwischen 7 und 8 und abends von 21 bis 22 Uhr. Wenn überhaupt. Zu diesen Zeiten ist eine Bahn im Becken für Sportschwimmer reserviert.

Seit Jahren versuche ich mich anzupassen. An meinem Kühlschrank kleben Infozettel diverser Bäder mit ihren seltenen Schwimmerbahn-Zeiten. Ich jongliere mein Leben um diese Zeiten herum. Mittlerweile bin ich total genervt und auch sauer. Sind wir Sportschwimmer nicht die Stammkunden? Wir kaufen die Zehnerkarten, lassen uns von schlecht gelauntem Personal gängeln, ertragen hässliche Kacheln und Fußpilz und steigen Jahr für Jahr 52 Wochen lang ins Becken, ob es 30 Grad warm ist oder schneit. Wäre es nicht an der Zeit, uns endlich mehr zu bieten?

Die Idee des Volksbades mit einem Becken für alle hat sich überlebt. In der individualisierten Gesellschaft sortieren sich die Bürger auch im Wasser in unterschiedliche Neigungsgruppen. Da gibt es die Damen, die Schwimmen mit Kaffeeklatsch verwechseln, und die Männer, die Bäder für Single-Börsen halten und vor lauter Glotzen nicht geradeaus steuern können.

Claudia Keller, Redakteurin Berlin.
Claudia Keller, Redakteurin Berlin.

© Kai-Uwe Heinrich

Nicht zu vergessen die Langsamflossler, die sich in grandioser Selbstüberschätzung partout nicht überholen lassen wollen. Oder die Rückenschwimmer, die kreuz und quer paddeln, als wären sie allein auf der Welt. Das hat alles seine Berechtigung und jeder soll sich nach seiner Façon glücklich planschen. Aber Bahnen ziehen, das braucht man dazwischen nicht versuchen. Entweder man weicht permanent aus, oder man wird böse angeschaut, beschimpft, getreten. Nach solchen Kämpfen bin ich genervter als vorher. Das brauche ich nicht.

Hoffnung auf Besserung kam mit Bäderchef Ole Bested Hensing. Er hat zuvor das Spaßbad Tropical Island gemanagt, ist aber auch ein Mann für die Bahnen-Zieher. Als Jugendlicher war er Leistungsschwimmer. Erste Äußerungen zeigten, dass er erkannt hat, dass sich die Stimmung in den Bädern nur bessert, wenn die Neigungsgruppen getrennt und auf mehrere Becken verteilt werden. Deshalb würde er gerne einige Bäder mit neuen Becken aufrüsten und dafür alte, sanierungsbedürftige Häuser schließen.

Kann gut sein, dass mein Stammbad das nicht überleben würde. Das nehme ich gerne in Kauf, wenn es dafür woanders verlässlich von morgens bis abends eine Schwimmerbahn gäbe – von mehreren Schwimmerbahnen wage ich ja gar nicht zu träumen. Dafür würde ich auch einige Kilometer weiter fahren. Doch bislang ist aus Ole Bested Hensings Plänen nicht viel geworden. Kaum hatte sich herumgesprochen, dass womöglich Hallen dichtgemacht werden müssen, war das Geschrei im Senat und im Abgeordnetenhaus groß. Bloß keine Veränderung!

Vor einer Woche wurde bekannt, dass das Schwimmen am Abend teurer werden soll. Bislang galt der verbilligte Abendtarif von 2,80 Euro. Ab Januar soll es 5,50 Euro kosten. Am Abend sind die Becken am vollsten, das will Bested Hensing entzerren. Aber die Stunden am Abend sind zugleich die einzigen Zeiten für uns Sportschwimmer. Wir sollen also fast doppelt so viel zahlen für dasselbe miese Angebot? Darüber hat sich kein Politiker empört. Eine Preiserhöhung wäre okay – nach der Umstrukturierung der Bäderlandschaft. Aber nicht vorher. Sorry, für diese Maßnahme habe ich nun echt kein Verständnis mehr. Da muss ich wohl doch in ein Fitnessstudio mit Schwimmbad wechseln. Die Idee des Volksbades mit einem Becken für alle hat sich überlebt. Die Neigungen sind zu verschieden.

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