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Berlin: Laufsteg Pausenhof

Die Schüler kleiden sich zu sexy, sagen die Lehrer. Die Lehrer sehen furchtbar aus, sagen die Schüler. Eins ist klar: Uniformen will keiner

Auf dem Laufsteg Pausenhof stehen sich unterschiedliche Weltbilder scheinbar unversöhnlich gegenüber. Flanellhemden treffen auf Muscleshirts, seit Jahren liebevoll abgetragene Cordhosen auf industriell ausgewaschene Stretchjeans. Kulturen kollidieren. Die meisten Lehrer können mit dem zur Schau gestellten Körperbewusstsein ihrer Schüler nichts anfangen, die Jugendlichen wenden sich angewidert vom angestaubten Schlabberlook der Erwachsenen ab.

„Es gibt Klagen von Schülern über die Angemessenheit der Kleidung der Lehrer“, berichtet Renate Hendricks, Vorsitzende des Bundeselternrates. Gerade bunte, flippige Sachen empfinden die Jugendlichen als peinlich bei Autoritätspersonen. „Eine Lehrerin hatte mal einen rosa Mantel an, da mussten wir die ganze Stunde lachen“, erzählt eine Schülerin aus Gatow. Wobei sich „die Lehrerinnen eigentlich noch ganz gut anziehen. Viel schlimmer sind die Lehrer“, sagt eine Schülerin der Robert-Blum-Oberschule in Schöneberg. Eine Freundin pflichtet ihr bei: „Einige ziehen oft die gleichen Klamotten an mehreren Tagen hintereinander an und glauben, wir merken das nicht.“

Hintergrund ist ein Generationenkonflikt, den auch die Lehrer in ihrer Jugend erlebten – nur unter anderen Vorzeichen. Viele kleideten sich in ihrer Schulzeit bewusst abgewrackt, um sich abzugrenzen – und tun das bis heute. Der Jahrgang 2003 legt sehr viel mehr Wert auf sein Äußeres, zieht sich anders an, „viel schicker als wir und mit sehr viel Geld dahinter“, wie eine Lehrerin bemerkt. Um so merkwürdiger, dass ausgerechnet die trendresistenten Lehrer die Diskussion mit ihrem Hinweis auf angeblich zu lasziv gekleidete Schülerinnen lostraten und ein Verbot für solche Sachen forderten.

Prompt schossen die Eltern der Schüler zurück: Die Lehrer sollten mal lieber in den Spiegel schauen und sich ihrer Schlabberklamotten entledigen. „Angemessene Kleidung“ heißt das Zauberwort, das gar nicht so neu ist. Vor 30 Jahren hießen Lehrer noch Pauker und trugen Anzüge. Sie haben sich ihr Recht, so leger gekleidet Unterricht geben zu dürfen, hart erarbeitet – und wollen deshalb nur ungern darauf verzichten. Jeder, wie er will, lautet ihr Motto. „Wir haben hier die ganze Bandbreite“, sagt eine Lehrerin der Robert-Blum-Oberschule. „Bieder, schick, sportlich, schlampig – da ist alles dabei.“

Auffallend ist: Je jünger die Pädagogen sind, desto seriöser kleiden sie sich. „Mit der Kleidung zeigt man, wie wichtig man seinen Job nimmt“, sagt Manfred Bertelmann, der noch als Referendar arbeitet. „Ein Arzt operiert ja auch nicht im Jogginganzug.“ Es muss nicht immer ein Anzug sein – den empfinden die meisten Schüler ohnehin nicht als die beste Lösung. Er wäre letztlich nichts anderes als eine Schuluniform. Und die – ob nun Lehrer oder Schüler – will kaum jemand. Zwar sind sich die meisten Lehrer einig, dass über einheitliche Kleidung der Markendruck auf die Schüler ausgeschaltet würde. Aber der Verlust an Individualität wäre dafür ihrer Meinung nach ein zu hoher Preis. Also arrangieren sie sich mit kurzen Tops und Bauchnabelpiercings, „so lange niemand halbnackt herumläuft“, wie ein Klassenlehrer sagt.

Wie die Debatte auch ausgeht, ob es doch Uniformen für Schüler geben wird oder ein Schlabberverbot für Lehrer, für bestimmte Gattungen wird sich nichts ändern: Kunst- und Sportlehrer müssen sich keine Sorgen machen. Sogar die modebewussten Schüler gestehen ihnen ihr ungewöhnliches Outfit zu: „Von denen erwartet man einfach, dass sie sich ungewöhnlich anziehen.“

Christian Hönicke

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