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Berlin: Lausitzer Mauerfall

Das kleine Doberlug-Kirchhain bereitet sich auf die erste Brandenburger Landesausstellung vor.

Doberlug-Kirchhain - Besonders Berliner muss ein Besuch in Doberlug-Kirchhain zunächst überraschen. „Der Mauerfall“ steht gleich an mehreren Stelen auf Straßen und Plätzen. Auch in Gesprächen in Rathaus, in der Klosterkirche und vor allem rund um das mächtige Schloss am Ortsrand fällt immer wieder das geschichtsträchtige Wort. Die Irritation klärt sich aber schnell auf: Die nur etwa 5000 Einwohner zählende, von Berlin gut zwei Stunden entfernte Doppelstadt an der südlichen Landesgrenze lässt derzeit ihr Schloss für die 1. Brandenburger Landesausstellung 2014 herrichten. Unter dem Motto „Wo Preußen Sachsen küsst“ soll sie sich mit dem Verhältnis der beiden nicht immer in Harmonie verbundenen Regionen beschäftigen. Das Schlossareal aber gehörte bis 1989 zu einer NVA-Kaserne und war durch eine Zwei-Meter-Mauer hermetisch abgeschottet. Erst ihr „Fall“ erlaubte einen Zugang zu dem Renaissancebau.

„Erst in den vergangenen Jahren haben wir große Teile des Areals zwischen Schloss und Klosterkirche buchstäblich ausgegraben“, erzählt Bürgermeister Bodo Broszinski. „So war der große Garten von einer dicken Beton- und Bitumenschicht bedeckt gewesen, damit die schweren Militärfahrzeuge hier abgestellt werden konnten.“ Zu den tausenden Soldaten, die nach Doberlug-Kirchhain einberufen wurden, gehörte auch Manfred Krug.

Bis heute erzählt man sich in der Stadt die Geschichte, wonach er bei einem dort absolvierten Reservistendienst als Berufsbezeichnung nicht etwa „Schauspieler“ angegeben, sondern „Gaukler“ vermerkt haben soll. Jede Einladung nach der Wende zu einem Besuch seiner alten Garnisonstadt schlug er allerdings aus. „An die Zeit in Doberlug-Kirchhain möchte er sich nicht erinnern, richtete er uns aus“, erzählt der Bürgermeister.

Ohnehin hatte die Pioniereinheit schon wegen der Abgelegenheit des Standortes keinen guten Ruf unter den Wehrpflichtigen. Auch die Einwohner der 1950 zusammengelegten Orte Doberlug und Kirchhain rümpften über das Militär mehr oder weniger offen die Nase. Dabei fiel der Verlust des Schlosses oder des als Speise- und Kinosaal genutzten Klosterrefektoriums weniger ins Gewicht als die „Plünderung“ der dürftig bestückten Läden und der Ansturm auf die Gaststätten während des Ausgangs der Soldaten. Schon das erklärt wohl die Freude über den Abzug der Armee und den „Mauerfall“. Seit 1994 gehört es wieder der Stadt, die vor einem Jahrzehnt mit der Restaurierung von Klosterkirche und später des Schlosses begann. Mehr als 3,5 Millionen Euro sind bisher geflossen.

Spätestens im Frühjahr 2014 will sich die Stadt möglichst vielen Touristen aus Berlin, Brandenburg, Sachsen und anderen Regionen als einladendes Ziel präsentieren. Dann sollen in den einstigen Soldatenstuben im Schloss wertvolle Gemälde und andere Kunstwerke, Dokumente und erläuternde Tafeln über das nicht immer einfache Verhältnis zwischen Sachsen und Preußen und die Geschichte der Lausitz Auskunft geben. „1814 und 1815 tagte der Wiener Kongress, der eine Neuordnung der Landesgrenzen bestimmte“, erinnert Bürgermeister Broszinski. „Weil Sachsen auf der Seite Napoleons gekämpft hatte, verlor es große Teile seines Territoriums an Preußen. Auch wir waren ab 1815 plötzlich keine Sachsen mehr.“ Napoleons Heere selbst sollen sich vor der Leipziger Völkerschlacht in Doberlug gesammelt haben.

Da das Schloss viel Platz, aber keine historische Ausstattung mehr bietet, denkt der Bürgermeister an ein Museum, ein Standesamt, Büros, ein Restaurant und Veranstaltungen im Saal für 250 Personen. Die größte Attraktion aber sei das Gebäude selbst, das im 17. Jahrhundert einer ungewöhnlichen Idee folgte: Vier Flügel für die vier Jahreszeiten, zwölf Giebel für die zwölf Monate, 52 Türmchen für die 52 Wochen und 365 Fenster.

Langsam erhält auch das Stadtzentrum alten Glanz zurück. „Schlossherr Christian I. von Sachsen-Merseburg ließ ab 1661 eine barocke Stadt auf dem Reißbrett planen und anschließend so bauen“, berichtet Andreas Hanslok, Chef des Weißgerbermuseums. „Die Allee ist mit 60 Meter Breite durchaus mit dem Boulevard Unter den Linden in Berlin zu vergleichen. Unsere endet aber schon nach 500 Metern.“ Claus-Dieter Steyer

Während das Schloss noch eine Baustelle ist, kann die Klosterkirche dienstags bis sonnabends, 10 - 17 Uhr und sonntags, 14 - 17 Uhr, besichtigt werden. Zur Einkehr bietet sich die Klosterschänke an. Infos unter www.doberlug-kirchhain.de.

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