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Berlin: Laut und fröhlich für den Frieden

Vom Alexanderplatz zum Brandenburger Tor: Bei der Schüler-Demo waren die Jüngsten 13 Jahre alt

Gegen halb zehn kommen die Ersten zum Alexanderplatz. Um 12 Uhr werden es mehr als 50 000 sein. Sie sind zwischen 13 und 22 Jahren alt, kommen aus Gesamt- und Realschulen, aus Oberstufenzentren und Gymnasien. Sie schreien und kreischen und trillern mit Pfeifen. „Kei – nen Krieg, kei – nen Krieg!“ skandieren sie.

Wut im Bauch, sagen die meisten, sei der Grund, warum sie gekommen sind. Hilflos versuchen sie, ihre Empörung in Worte zu fassen. „Bush will doch nur Öl“, sagt Marco Ladegast, 19, vom Humboldt-Gymnasium. „Und dafür bricht er internationales Recht.“ Anne-Katrin Exner fragt: „Wie kann Bush einfach in Kauf nehmen, dass Tausende Frauen und Kinder sterben?“ Die 16-Jährige trägt mit Freundinnen von der Jules-Verne-Oberschule ein No-War-Plakat. Andere schwenken Che-Guevara-Flaggen, wieder andere schwarze Fahnen, und ein Mädchen malt der Nachbarin ein Peace-Zeichen auf den Po. Es ist ein Mischmasch von allerlei Anti-Kriegs-Symbolik, dass die Schüler hergeschleppt haben. Ernst sind sie nicht. Alle strahlen. Das hat vielleicht auch etwas damit zu tun, dass sie schreien dürfen, soviel sie wollen, dass der Unterricht ausfällt, und dass einige von ihnen auf den Brunnen der Völkerfreundschaft klettern und von dort oben ihre Plakate schwenken. Hunderte johlen ihnen zu und zeigen das Victory-Zeichen. Klo-Rollen fliegen durch die Luft und eine Bierflasche, sonst ist alles friedlich. Nur ganz wenige Lehrer sind mitgekommen, sie stehen auf den Stufen vor dem „Kaufhof“ und gucken auf die Schülermassen, stolz bis verwundert.

Zu dem Schul-Streik, der gemeinsamen Kundgebung und der anschließenden Demo zum Brandenburger Tor am ersten Schultag nach Ausbruch des Krieges hatte das Berliner Bündnis „Schülerinnen und Schüler gegen Krieg / Widerstand international“ aufgerufen. „Wir wollen zeigen, dass dies für uns kein normaler Tag ist“, sagte Sprecherin Vivien Hellwig. Allein von sechs Schöneberger Gymnasien waren vom Kleistpark aus mehr als 2000 Schüler zum Alexanderplatz gezogen.

„Wir sehen dies als Friedensdemo, nicht als Anti-Bush-Demonstration“, sagte Rick Graf von der Sophie-Scholl-Oberschule. Mit der Demo habe man ein Forum schaffen wollen, auf dem jeder Meinungen und Ängste äußern kann. Für viele der Kinder und Jugendliche, die mitlaufen, ist dies der erste Krieg, den sie bewusst miterleben. Die Schulverwaltung hatte es den Schulen freigestellt, ob sie ihre Schüler an der Demo teilnehmen lassen wollten. Die meisten Schulen hatten die Jugendlichen darauf hingewiesen, dass sie die Streikteilnahme wegen der Aufsichtspflicht nicht erlauben können, akzeptierten aber Entschuldigungsschreiben. „Ich weiß nicht, ob es angemessen ist, angesichts des Kriegsausbruches mit Druck auf die Schüler zu reagieren“, sagte Rainer Gerhardt, Leiter der Spandauer Bertholt-Brecht-Oberschule. „Da haben sich doch Spannungen in ihnen aufgebaut.“ rcf/frh/ana

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