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Laute Ansagen: Nachbarn fühlen sich von den Hinweisen der Bahn gestört

Am Mexikoplatz dimmt die S-Bahn ihre Ansagen. Anwohner haben sich beklagt. Das Problem ist kein Einzelfall, aber nicht nur die Bahn findet, dass Sicherheit im Zweifel wichtiger ist als Ruhe.

Auch die S-Bahn kann rasend machen. Vor allem, wenn statt eines Zuges eine automatische Ansage wie diese kommt: „Wegen Verzögerungen im Betriebsablauf wird S … 47 nach … Hermannstraße … Abfahrt zehn … Uhr vierunddreißig … heute leider entfallen. Wir bitten um Entschuldigung.“ An manchen Tagen, wenn beispielsweise die genannte Linie teilweise eingestellt wurde, ertönt die Durchsage von morgens um vier bis nachts halb eins. Zum Leidwesen nicht nur der Fahrgäste, sondern auch von Anwohnern um die Bahnhöfe. Der immergleiche Tonfall der im Fachjargon „Blech-Else“ genannten Konservenstimme macht die Sache nicht besser, sondern nur länger als die zuvor üblichen akustischen Unikate der Aufsichten à la „Zug nach Hermannstraße fällt heute aus!“

Am Mexikoplatz an der S 1 haben genervte Nachbarn das Bezirksamt zur Intervention veranlasst. Mit Erfolg, wie die Steglitz-Zehlendorfer Stadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne) mitteilt: Die Lautstärke der Ansagen werde verringert und nachts zusätzlich abgesenkt. Das Entgegenkommen der S-Bahn „zeigt praxisnah, dass der Bürgerwille gehört wird“.

Dass die Ansage gehört wird – und zwar jenseits der Station –, veranlasste nach Auskunft der Bahn nur selten Beschwerden; namentlich an den S-Bahnhöfen Friedenau, Ostkreuz, Savignyplatz und Mexikoplatz. Wobei die Beschallung mindestens auch am 2006 eröffneten Südkreuz ein Streitthema war. Und eine Nachbarin des S-Bahnhofs Lichterfelde-West berichtet, dass auch dort schon Anwohner mündlich und schriftlich gegen die Lautstärke der automatisierten Durchsagen protestiert hätten, sowohl bei Konzernchef Rüdiger Grube als auch bei der Netztochter der Bahn und bei der S-Bahn. In der Antwort habe es geheißen, die Lautstärke sei - etwa mit Behindertenverbänden - abgestimmt worden. Allerdings nervt die Nachbarn auch die falsche Betonung und die Ausführlichkeit der Ansage ("...über Schöneberg / Potsdamer Platz / Friedrichstraße..."). "Wohin denn sonst?", sagt eine Anwohnerin, "diese Strecke fährt sie seit 1870!"

Die Lautstärke wird nach Auskunft der Bahn auf Basis einer Lärmschutznorm und des Umgebungslärms eingestellt und nachts verringert. Bei Beschwerden versuche die Bahn einen Kompromiss zwischen noch verständlichen Ansagen und möglichst wenig gestörter Nachbarschaft zu finden.

Eine schlechte Nachricht für die Unbeteiligten ist, dass mit der Umrüstung der Stationen auf LCD-Anzeigen auch eine Ansage für jeden einzelnen Zug verbunden ist. Für den Mexikoplatz bedeutet das eine Durchsage alle fünf Minuten, für Stationen von Ring und Stadtbahn fast im Minutentakt. „Zweisinneprinzip“ heißt die Neuerung bei der Bahn. Bisher herrschte an vielen Stationen einfach Ruhe, solange der Betrieb planmäßig lief. Jetzt kommen die regulären Ansagen aus der Konserve und die spontanen aus Zentralen. Die Regional- und Fernbahnhöfe werden von Spandau aus versorgt.

Jens Wieseke, Vizechef des Fahrgastverbandes Igeb, sieht in der Debatte ein weiteres Argument für seine Forderung, die S-Bahnhöfe wieder mit Personal zu besetzen: Die Aufsicht könne je nach Andrang und Geräuschkulisse lauter oder leiser reden – oder schweigen, wenn spätabends der Bahnsteig verwaist.

Im Internet türmen sich einschlägige Klagelieder aus der ganzen Bundesrepublik. Der auf Bahnlärm spezialisierte Anwalt Matthias Möller-Meinecke aus Frankfurt am Main sagt, „die Rechtsprechung hat sich dazu bislang nicht klar verhalten“. Bei den live an Ort und Stelle gesprochenen Ansagen alter Schule habe die Bahn allerdings die Gerichte auf ihrer Seite gehabt, weil die Sicherheit der Reisenden wichtiger sei als die Ruhe der Nachbarn. Aus Sicht des Anwalts könnte die Bahn allerdings mehr tun – vor allem durch modernere Lautsprechertechnik und Sensoren, die den Andrang am Bahnsteig erkennen. Manche Bahnübergänge würden bereits per Radar überwacht, um Unfälle zu verhindern.

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