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Laute Nachbarschaft: Lärmschutz: Immer öfter geben Richter den Ton an

Rockkonzerte, Parties und bunte Festivals. Gerade im Sommer ist Berlin eine laute Stadt. Doch was viele als kulturelle Bereicherung sehen, empfinden andere als Zumutung. In letzter Zeit häufen sich nach Angaben von Richtern Klagen von Anwohnern, die sich durch Lärm belästigt fühlen.

Gestern wurden drei Prozesse vor Berliner Gerichten verhandelt, in denen es um laute Musik ging. In einem Fall war Rapmusik der Auslöser für einen tödlichen Nachbarschaftsstreit.

Glimpflich ging das Verfahren für die Betreiber der Freilichtbühne Wuhlheide aus. Ein Anwohner, dem die Open-Air- Konzerte zu laut sind, nahm seine Klage auf Anraten des Richters zurück. Das Gericht stellte klar, dass die von der Stadt erteilte Ausnahmegenehmigung für 16 Konzerte rechtens ist. Danach dürfen die Veranstaltungen bis 23 Uhr gehen und im Umkreis des Geländes bis zu 70 Dezibel laut sein. Trotzdem versprach ein Senatsmitarbeiter beim nächsten Konzert eine Schallpegelmessung vor dem Haus des Klägers vorzunehmen, um zu prüfen, ob die Richtwerte eingehalten werden. „Ich freue mich, dass der Richter unsere Auffassung teilt“, sagte der Geschäftsführer der Parkbühne GmbH, Wolfgang Köllen. Das mit 17 000 Tickets ausverkaufte Konzert mit der US-Rockband Pearl Jam könne nun morgen wie geplant stattfinden. Bis Mitte September sind in der Wuhlheide fünf weitere Konzerte geplant.

Glück hat auch der Landessportbund, der zur Leichtathletik-WM eine neuntägige Dauerparty im „International Club“ an der Thüringer Allee in Charlottenburg-Wilmersdorf veranstalten will. Das Bezirksamt hatte eine Ausnahmegenehmigung aus Rücksicht auf die Anwohner erst verweigert, da es in der Vergangenheit mehrfach zu Beschwerden wegen der Lautstärke kam. Bei der gestrigen Verhandlung ebenfalls vor dem Verwaltungsgericht konnte der Veranstalter in Anwesenheit dreier Anwohner mit dem Bezirksamt einen Kompromiss aushandeln. Die Feier darf jetzt nur bis 23 Uhr, anstatt wie geplant bis 1 Uhr nachts die normale Lautstärke überschreiten. Der Auftritt von Livebands wurde ganz untersagt. Mit dem „Champions Club“ will der Landessportbund unter anderem neue Sponsoren anwerben. Geplant sind tägliche Talkrunden mit Sportlern und Politikern. Auch Berlins Regierender Klaus Wowereit und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben angekündigt zu kommen. Karten für die Feier gibt es jedoch nur in Kombination mit einem WM-Ticket.

Dass Streit um Lärm auch tödlich enden kann, zeigt ein Prozess, der gestern vor der Jugendstrafkammer begann. Angeklagt ist der 19-jährige Mohamed H., der unter dem Namen „Momo Black“ Rap-Musik produzierte. Er soll im Februar seinen 41-jährigen Nachbarn in dessen Wohnung in der Boddinstraße in Neukölln niedergestochen haben. Der Rapper litt vermutlich unter Wahnvorstellungen. Die Staatsanwaltschaft strebt seine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik an. Opfer und Täter hatten sich zuvor mehrfach gegenseitig angezeigt. Mit einem Urteil wird Ende September gerechnet.

Streit um laute Musik führt immer wieder zu Gewalt. 2002 etwa hatte ein 22-Jähriger in Steglitz seinen 63-jährigen Vater erstochen. Ein Wissenschaftler saß wegen versuchten Totschlags auf der Anklagebank, weil er 2004 in einem Kreuzberger Mietshaus mit einem Messer auf einen Nachbarn losgegangen war.

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