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Berlin: Lauter Trödel

Schon wieder Streit in Friedrichshain – diesmal um einen Flohmarkt

In Friedrichshain pflegt man die Streitkultur nachhaltiger als anderswo in Berlin. Während der Konflikt um den Kneipenlärm in der Simon-Dach-Straße ohne Aussicht auf Schlichtung weiterköchelt, droht ein neues Zerwürfnis im Viertel: Objekt des Missfallens ist der allsonntägliche Trödelmarkt auf dem Boxhagener Platz. Es geht um die gestörte Sonntagsruhe, um Parken in zweiter Reihe, um die Hackordnung der Händler, um zu viele Menschen auf engem Raum. Und es geht – wie immer in Friedrichshain – um den Verlust der lieb gewordenen Kiezidylle.

Erst vor wenigen Wochen gab es wieder eine Anti-Schickimicki-Demo. Ihr Leitsatz: „Abenteuer leben statt Hochglanz zahlen“. Thomas Helfen vom Quartiersmanagement geht nüchtern an die Sache heran. Der „Boxi“ sei einfach „stark übernutzt“.

Weil der Boxhagener Platz inzwischen berlinweit eine angesagte Adresse ist, strömen viele Menschen auf den kleinen Platz, aalen sich in der Sonne, dösen in den Kneipen und gehen trödeln. Aus dem einfachen Tapeziertischbasar zum Verscherbeln des Kellergerümpels wuchs im Laufe der Jahre ein brodelnder Second-Hand-Markt mit bis zu 100 Ständen heran. Professionelle Händler erkannten ihre Chance, und die Anwohner wurden immer öfter mittels Megafon-Durchsagen der Polizei aus ihrer Sonntagmorgenruhe gerissen: „Der Fahrer des Kennzeichens B-Strich-Cäsar-Siegfried…“

Quartiersmanager Helfen hat erste Erkenntnisse gewonnen: „Je weiter die Leute weg wohnen, desto attraktiver finden sie den Markt.“ Baustadtrat Franz Schulz von den Grünen sieht einen „klassischen städtischen Konflikt“, den man mit einigen Auflagen ausbalancieren könne. Und Freke Over, PDS-Abgeordneter und selbst Anwohner, sieht es so: „Der Trödelmarkt und alles drumherum ist urbanes Leben. Die meisten Leute genießen das.“ Wer es nicht genießt, müsse sich die Frage stellen, ob er am richtigen Ort wohnt. Over sieht auch die steigende Attraktivität der Gegend für „Besserverdienende“ überwiegend positiv. „Der Verdrängungsdruck ist hier nicht so groß wie vor Jahren in Prenzlauer Berg oder Mitte.“ In Friedrichshain könne man die Balance zwischen alternativer Kieztradition und marktwirtschaftlicher Dynamik noch halten. Auf diese Balance lege er auch beim Trödeln wert, bekundet Marktbetreiber Gerard Walk. „Wer mitmachen will, kriegt einen Platz. 70 Prozent sind Hobby-Händler, die sich ein paar Euro dazuverdienen wollen.“ Von Verdrängung durch Profi-Händler könne keine Rede sein. „Da sind immer noch die Leute druff, die vorher druff waren.“

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