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Berlin: Lautlose Kostbarkeiten

Die Freiluftaufführung von Metropolis ist der erste Höhepunkt des Stummfilmfestivals im Kino Babylon Bis 25. Juli werden internationale Klassiker gezeigt

Es war ein Kinoabend für Hartgesottene, die unerschrocken jeder Witterung trotzen und für einen guten Film sogar angefrorene Zehen- und Fingerspitzen riskieren: der Pariser Platz eine grauweiße Fläche aus buckelig festgetrampeltem Schnee, die Thermoskannen mit Glühwein oder heißem Tee angesichts der Überlänge des gezeigten Filmkunstwerks viel zu klein, und dennoch – als Rahmen der Leinwand das Brandenburger Tor, wann hat man das schon, und dazu „Metropolis“, dieses frisch restaurierte Meisterwerk von Fritz Lang, erstmals seit Jahrzehnten in fast kompletter Länge – ein Traumabend für jeden Cineasten, während der Berlinale dieses Jahres. Trotz Eiseskälte kamen 2000 Zuschauer.

Mit einer Open-Air-Vorführung vor dem Brandenburger Tor, parallel zu der im Friedrichstadtpalast und der in der Alten Oper in Frankfurt, begann Mitte Februar das zweite Leben von „Metropolis“. Dessen fehlende, kurz nach der Premiere 1927 herausgeschnittene Teile waren in einem Kinomuseum in Buenos Aires wiedergefunden worden. Als Freiluftvergnügen ist der Film auch bei „Berlin – Babylon“ dabei, dem an diesem Freitag in dem traditionsreichen Lichtspielhaus am Rosa-Luxemburg-Platz startenden „StummfilmLiveFestival“. Eigens wird vor dem Kino eine Leinwand aufgebaut, begleitet wird die Vorführung – anders als seinerzeit auf dem Pariser Platz – aber nicht mit der Originalmusik von Gottfried Huppertz, sondern durch die elektronische des französischen DJ Raphael Marionneau. Dessen Spezialität ist eine Mischung aus Chillout-, neuer und alter klassischer Musik sowie Filmmusik. Diese Verbindung zwischen altem Film und moderner musikalischer Interpretation ist ein besonderes Anliegen des Festivals, zu dem die besten Stummfilmmusiker Europas kommen sollen, wie es bei den Veranstaltern hieß.

Dem ersten Festivalhöhepunkt am Eröffnungsabend folgt am späten Sonnabend gleich der nächste: die zweifache Vorführung von Walter Ruttmanns berühmtem experimentellen Dokumentarfilm „Berlin – die Sinfonie der Großstadt“ in rund 1000 U-Bahn-Waggons, auf den über 3000 Monitoren des Berliner Fensters. In faszinierender Schnitttechnik hat der Regisseur das Leben der Stadt im Jahr 1927 festgehalten, er ist gewissermaßen das realistische Gegenstück zu Fritz Langs Utopie – und beginnt zudem mit einer Bahnfahrt, vorbei an Wiesen, Feldern, Vorstädten, hinein in die Metropole.

Die junge Filmstadt Berlin spiegelt sich natürlich auch im Gesamtprogramm des bis 25. Juli dauernden Festivals. Dabei sind Berliner Klassiker wie „Der Golem“, „Die freudlose Gasse“, „Nosferatu“, „Menschen am Sonntag“ und „Das Cabinet des Dr. Caligari“, aus anderen Filmländern etwa „Panzerkreuzer Potemkin“, dessen Siegeslauf nach einer weitgehend unbeachteten Moskauer Premiere erst in einem Berliner Kino begann, dazu Buster Keatons „Der General“, Buñuels „Der andalusische Hund“, Kurzfilme von Chaplin und zur Eröffnung „Maciste All’Inferno“, der den sechsjährigen Fellini nachhaltig beeindruckt hatte.

Das Babylon bietet für all diese Kostbarkeiten den idealen Rahmen. Im Jahr 1929 war es als Stummfilmkino eröffnet worden, eine Tradition, von der es noch immer bauliche Spuren gibt. So trennt ein Orchestergraben die Leinwand vom Publikum, es gibt die berühmte Kinoorgel, und hinter der versenkbaren modernen Hauptleinwand ist sogar noch die alte Stummfilmleinwand verborgen, auf der die Hälfte der Filme des Programms gezeigt wird.

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