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Berlin: Le Bistro im Dorint-Hotel Sanssouci, Jägerallee 20, Potsdam, Strasse, 1 Umland, Tel. 0331/274-0, Kreditkarten: alle gängigen

1998, das Jahr der Hoteleröffnungen. Man reibt sich die Augen und hat den Eindruck, daß die Betreiber beschlossen haben, die Belegungsquote in Potsdam bis zum Jahresende auf unter zehn Prozent zu drücken.

1998, das Jahr der Hoteleröffnungen. Man reibt sich die Augen und hat den Eindruck, daß die Betreiber beschlossen haben, die Belegungsquote in Potsdam bis zum Jahresende auf unter zehn Prozent zu drücken. Steigenberger, Seminaris und nicht zuletzt Dorint - alle klotzen Bettenberge in die Gegend nach dem Prinzip, daß es in der Nähe des Schlosses Sanssouci oder am schönen Havelufer zuviel Zimmer nicht geben könne, und zuviel Restaurantplätze erst recht nicht.

Kann es aber doch. Die ehrgeizigen Hotelköche stecken in einem klassischen Teufelskreis: Die Gäste sitzen nicht gern in leeren Restaurants - und deshalb bleiben die neuen Restaurants auch weiter leer. Das ist schon deshalb ungerecht, weil es kaum irgendwo gutes Essen zu so angemessenen Preisen gibt wie in neuen Hotels, die sich gegen die Konkurrenz mit Sonderangeboten behaupten müssen. Das gilt auch für das neue, von außen ziemlich kühl-abweisende Dorint am Voltaireweg - am falschen Ende, von Sanssouci aus gesehen. Das beste Restaurant trägt den tiefstapelnden Namen "Le Bistro", ein übliches Symptom taktischer Bescheidenheit, um nur ja keinen potentiellen Gast zu verschrecken. Immerhin sind die Tische nett eingedeckt, was sich gegenwärtig kaum ein besserer Wirt in der Landeshauptstadt traut. Man muß den Stil der Architektur freilich mögen; Anhänger der bürgerlichen Gemütlichkeit mit Holztäfelungen und Messingkandelabern werden sich nicht übermäßig wohl fühlen.

Ich bin hier nicht nicht ohne positive Vorurteile hingegangen, weil der Vizechef in der Küche, Holger Bartkowiak, bisher im hervorragenden "Seehotel Waldfrieden" in Wendisch Rietz gearbeitet hat - und weil der Dorint-Konzern mit Johannes King, einem der besten deutschen Köche, ein ehrgeiziges gastronomisches Profil entwickelt. Die Speisekarte liest sich auf Anhieb interessant, aber die Realität kann mit dem eigenen Wortgeklingel noch nicht immer mithalten. "Salat von gebratenen Bouillabaisse-Fischen" zum Beispiel ist zwar kein irgendwo festgelegtes Rezept, aber sollte neben einer belanglosen Garnele doch wenigstens typische Fischsorten enthalten und nicht ausgerechnet Lachs, Zander und (strohtrockenen) Thunfisch. Auch die schlappe Sauce Rouille dazu hatte mit dem kräftigen Original wenig gemeinsam.

So: Nun wird es besser. Die kleinen Tintenfische, am Spieß gegrillt, kamen mit gut gemachtem Salat und einer perfekten Knoblauchmayonnaise, die Lammhaxe, vom Kellner außerhalb der Karte empfohlen, war schön zart und von schlichten Kartoffeln und Speckbohnen angemessen begleitet. Besonders freute uns, daß die Dorint-Küche Innereien wie Bries und Nieren besonders pflegt - man muß sie ja nicht jeden Tag essen. Die vortrefflichen Milchkalbsnieren in Balsamico-Sauce waren geeignet, auch eingeschworene Feinde zu bekehren. Dazu Kartoffelpüree, und kleine Apfel- und Selleriewürfel, aber gottlob endlich einmal nicht die stereotypen bunten Gemüse. Zur positiven Gesamtbilanz trugen auch die Desserts bei. Ausgezeichnete, leicht übergrillte Ananasscheiben mit Pina-Colada-Eis, schlichtes, nahezu perfektes Rhabarber-Gratin.

Auch beim Wein wird niemand übervorteilt. Das Angebot, einmal quer durch die Welt vom offenen Mosel bis zum kalifornischen "Opus One", stammt von einem Großimporteur und trägt deshalb keine individuellen Züge, dürfte aber dennoch niemanden enttäuschen. Wir tranken badischen Weißburgunder, Michelfelder Himmelberg vom Reichsgraf zu Hoensbroech, bekamen allerdings unkommentiert statt des hervorragenden 96ers den nicht ganz so eindrucksvollen 97er - der Service sollte drauf achten. Sonst ging nichts gravierend schief, was in der Startphase eines neuen Hotels alles andere als selbstverständlich ist. Freundlicherweise wurden wir gleich am Anfang sogar gewarnt, wegen einer Großveranstaltung im Haus könne alles etwas länger dauern, aber es ging dann doch recht flott. Insgesamt ein weiterer Schritt zu einer gastronomischen Szene, die einer Landeshauptstadt angemessen ist.

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