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Berlin: Lebenslang für den "Barmherzigen" gefordert

Er nannte sich selbst "Ngoc Thien", "der Barmherzige". Tatsächlich gilt der 31-jährige Duy Bao Le als Bandenchef, der eine Blutspur durch Berlin gezogen haben soll.

Er nannte sich selbst "Ngoc Thien", "der Barmherzige". Tatsächlich gilt der 31-jährige Duy Bao Le als Bandenchef, der eine Blutspur durch Berlin gezogen haben soll. Schon seit vier Jahren ist er der Hauptangeklagte in dem bislang größten Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder der vietnamesischen "Zigaretten-Mafia" vor dem Landgericht. Jetzt ist ein Ende in Sicht. Gestern forderte die Staatsanwaltschaft für Duy Bao Le eine lebenslange Haftstrafe wegen gemeinschaftlichen achtfachen Mordes.

"Der Barmherzige" soll einst zwei Drittel des illegalen Zigarettenmarktes in Berlin kontrolliert und je Standplatz von den Händlern bis zu 3000 Mark Schutzgeld kassiert haben. Auf Anordnung des als skrupellos und ehrgeizig beschriebenen Duy Bao Le seien schwerste Verbrechen bis hin zu einem Massaker verübt worden, sagte Staatsanwalt Georg Bauer in seinem Plädoyer. Dabei stützte er sich vor allem auf eine Kronzeugin, die frühere Freundin des Hauptangeklagten.

Gegen zwei weitere Angeklagte im Alter von 30 und 41 Jahren verlangte der Ankläger ebenfalls lebenslange Haftstrafen wegen Mordes in zwei und sechs Fällen. Gegen einen heute 24-jährigen Vietnamesen beantragte Bauer eine Jugendstrafe von zehn Jahren. Diese drei Männer seien "Vollstrecker", die Schützen gewesen. Alle vier Angeklagten seien zudem der Bildung einer kriminellen Vereinigung schuldig zu sprechen. Nach dem Willen der Staatsanwaltschaft soll das Gericht für den Hauptangeklagten auch die besondere Schwere der Schuld feststellen. Damit wäre eine Haftentlassung nach 15 Jahren ausgeschlossen.

Es geht in dem Prozess um Morde im Frühjahr 1996. Der Kampf um die lukrativsten Standplätze der illegalen Zigarettenverkäufer erreichte einen Höhepunkt. Auf Befehl von Duy Bao Le soll es damals zu dem Blutbad gekommen sein, das die Polizei im Mai 1996 vorfand, als sie zu einer Marzahner Plattenbauwohnung gerufen worden war. Sechs gefesselte und geknebelte Vietnamesen waren mit Kopfschüssen getötet worden. Es handelte sich um Rivalen von "Ngoc Thien". Sie seien erschossen worden, weil sie den Aufenthalt ihres Chefs nicht verraten wollten, sagte Bauer.

Im März 1996 wurden nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft zwei "Abtrünnige" von der "Ngoc Thien" hingerichtet. Auf ein Zeichen des "Barmherzigen" hin sei es in der so genannten Soldatenwohnung der Bande in der Weddinger Schwedenstraße zu einer Vielzahl von Schüssen auf die Opfer gekommen, sagte Bauer. Danach habe der Hauptangeklagte triumphierend auf die Tat angestoßen und verkündet: "Wir haben die Schaben beseitigt".

Als der Prozess im Januar 1998 begann, saßen 16 Vietnamesen auf der Anklagebank. Neun Angeklagte sind inzwischen zu Haftstrafen zwischen drei und siebeneinhalb Jahren verurteilt, gegen drei wurden die Verfahren eingestellt. Der Handel mit unverzollten Zigaretten geht trotz Zerschlagung solcher Banden wie "Ngoc Thien" weiter. Bauer erfuhr, dass zu den neu gebildeten Banden auch frühere Angeklagte des Mammutprozesses gehören sollen, die ihre Haftstrafen bereits verbüßt haben. Zum Urteil für die letzten vier Angeklagten kommt es voraussichtlich Anfang März.

Kerstin Gehrke

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