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Lehrer Ernst-Detlef Mücke: Fast wie Harvey Milk

Ernst-Detlef Mücke kämpfte vor 30 Jahren als schwuler Lehrer für die Anerkennung von Homosexuellen.

Für eine Hollywood-Verfilmung muss alles eine Nummer größer sein. Und tragischer. Der Film über Harvey Milk, den ersten Stadtrat, der in den USA offen schwul lebte, läuft nicht nur wegen des fulminanten Hauptdarstellers Sean Penn so erfolgreich in den Kinos, sondern weil das Leben des Vorkämpfers der Homosexuellen-Bewegung so bedeutend und tragisch war. Denn Harvey Milk setzte sich nicht nur in einer schwulenfeindlichen Gesellschaft für die Gleichberechtigung von Homosexuellen ein. Er wurde am 27. November 1978 bei einem Attentat erschossen.

In Berlin waren die Ereignisse glücklicherweise nicht so tragisch, aber nicht weniger bedeutend. Einer der Protagonisten, die sich wie Harvey Milk in Deutschland engagierten, war Ernst-Detlef Mücke. Den Film über Harvey Milk hat Mücke zusammen mit dem schwulen Lehrerverband gesehen. „Das war ja meine Zeit“, sagt der 64-jährige pensionierte Lehrer heute. Denn 1978, als Harvey Milk in den USA gegen die von kirchlichen und konservativen Gruppen geschürte Angst vor homosexuellen Lehrern anging, kämpfte Ernst-Detlef Mücke in Berlin für die gleiche Sache. 1974 outete sich ein Lehrer an einer Schule in Wilmersdorf – und wurde entlassen. Mücke organiserte daraufhin ein Komitee, um ihn zu unterstützen. Später initiierte er die Arbeitsgemeinschaft homosexueller Lehrer in der GEW.

Bis heute keine Gleichberechtigung

Gerade für Lehrer war es nicht leicht, offen schwul zu leben. Damals galt als vorherrschender Grundsatz, dass „Homosexuelle kein Vorbild für Jugendliche“ sein könnten. Heute geht man eher vom Gegenteil aus: Homosexuelle Lehrer können Schülern die Angst vor dem Coming Out nehmen. „Es hat in den letzten fünf bis sechs Jahren einen Paradigmenwechsel gegeben“, sagt Mücke. Er selbst bekam 2005 für seine Verdienste um die Gleichberechtigung und Achtung Homosexueller in Schule und Gesellschaft von Bundespräsident Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Erreicht sei die Gleichberechtigung bis heute nicht, betont Mücke. Schließlich habe der schwule Lehrerverband vor kurzem ein Video über die eigene Arbeit ins Internet gestellt. Daraufhin wurden schwulenfeindliche Kommentare gepostet.

In den 1970er Jahren, erinnert sich Mücke, war Kalifornien und besonders San Francisco für viele Schwule ein „idealisierter Ort“. Auch wegen vorbildhafter Politiker wie Harvey Milk. Heute sei er froh, in Deutschland zu leben, sagt Mücke. „Schließlich dauert es hier länger, bis Antidiskriminierungsgesetze wieder rückgängig gemacht werden.“

Auch im Ruhestand engagiert sich der ehemalige Lehrer weiter für die Gleichstellung von Homosexuellen. „Wir schwulen Lehrer reisen gern“, sagt er. „Zum Beispiel zu Lehrern in Polen, Russland oder Serbien.“ Auch dort sei der Kampf längst nicht beendet. Und kein Harvey Milk in Sicht. 

Daniel Stender

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