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Berlin: Lehrer fühlen sich vom Senat gedemütigt

Am Sonntag tritt das neue Schulgesetz in Kraft – und die Pädagogen sehen sich hilflos den Forderungen der Politik ausgeliefert

Manche Lehrer halten es für einen schlechten Witz, dass das neue Schulgesetz an diesem schulfreien Sonntag in Kraft tritt. Zwar bemängeln sie die Reformen nicht grundsätzlich. Aber sie schätzen das Gesetz weiten Teilen als realitätsfern ein, weil personelle und materielle Voraussetzungen fehlen, und weil sich die Kollegien schon jetzt völlig ausgepowert fühlen. Am Dienstagabend bekamen die Bildungspolitikerinnen Felicitas Tesch (SPD) und Siglinde Schaub (PDS) zu spüren, wie es um die Stimmung bestellt ist.

Die beiden Abgeordneten wollten auf Einladung des Verbands der Oberstudiendirektoren über das neue Schulgesetz Auskunft geben – und wurden aufs Schärfste kritisiert: Die Lage werde immer schlechter, die Arbeitszeiterhöhung belaste die Lehrer enorm, und selbst bisher aktive Kräfte brächten keinen Elan für die Schulreform auf. Zumal diese Refom auf tönernen Füßen stehe. So sei etwa an Grundschulen mehr naturwissenschaftlicher Unterricht vorgesehen, doch es gebe dafür noch gar keine Ausrüstung; man solle auswärtige Kräfte heranziehen, um die Qualitätsüberprüfung voranzubringen, doch gebe es kein Geld, um diese F achleute zu bezahlen.

Auch die Art und Weise, wie der Senat mit den Lehrern umgeht, wird kritisiert. Von den Grundschulen bis hin zu den Gymnasien und Berufsschulen reiche die Empörung über die „Kaltschnäuzigkeit und die Demütigungen“ durch die Politik, sagte ein Schulleiter.

Wie sehr die derzeitige Situation viele Lehrer belastet, zeigt sich auch daran, dass die Zahl der Dauerkranken in einem Jahr um rund 30 Prozent gestiegen ist. Als eine der Hauptursachen gilt Stress infolge großer Klassen und zusätzlicher Unterrichtsstunden. Mehrere Schulleiter wiesen die beiden Abgeordneten denn auch darauf hin, dass die Stimmung infolge der ständig neuen Zumutungen „völlig vergiftet“ sei. Die Kollegen seien „dünnhäutig“ geworden, sagte Lutz Vogler vom Friedrichshainer Dathe-Gymnasium. Auch er selbst sehe „kein Licht mehr im Tunnel“: Die Schulleiter bekämen viele neue Aufgaben, müssten aber weiterhin 13 Stunden unterrichten. Hinrich Lühmann vom Humboldt-Gymnasium in Reinickendorf mahnte: „Unterschätzen sie nicht, was Wowereit, Sarrazin und Böger kaputt gemacht haben.“ Zur Menschenführung gehöre, dass man motiviere, doch das Gegenteil sei der Fall.

Besonders heftig ist die Empörung der Kollegen angesichts der Weigerung von Bildungssenator Klaus Böger (SPD), den Schulen zwei zusätzliche Ferientage zuzugestehen. Sie müssen als Folge der Tarifeinigung bis zum Sommer allen beamteten Kollegen individuell zwei freie Tage geben. Dies aber ist während der Unterrichtszeit kaum zu organisieren, da bis zu 360000 Stunden vertreten werden müssen (wir berichteten). Obwohl unzählige Schulleiter den Senator gebeten hatten, einer zentralen Ferienregelung zuzustimmen, weigerte der sich. „Wenn der Senat das Gehalt kürzt, dafür zwei freie Tage gibt und dann verlangt, dass kein Unterricht ausfällt, nenn’ ich dass politische Unredlichkeit“, sagt eine Grundschulleiterin. Für sie ist „erstmals der Punkt gekommen, an dem ich mich widersetzen und auch ein Disziplinarverfahren in Kauf nehmen würde“.

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