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Wo sind die Lehrer? In Berlin herrscht zunehmend Personalmangel an Schulen.

© Kai-Uwe Heinrich

Vertretungskräfte: Lehrermangel: Senat verstärkt Kontrolle

Die Senatsverwaltung für Bildung reagiert auf Beschwerden über unqualifizierte Vertretungslehrer: Deren Eignung soll jetzt strenger durch eine Arbeitsgruppe in der Zentrale überprüft werden. Viele Vertretungslehrer haben nicht einmal das erste Staatsexamen.

Dies teilte die Verwaltung auf Anfrage mit. Bisher wurden die Verträge in den zwölf bezirklichen Außenstellen bearbeitet. Aktuell sind knapp 700 Vertretungskräfte an Berlins Schulen im Einsatz, von denen nur etwas mehr als die Hälfte das erste Staatsexamen absolviert hat.

Der Handlungsdruck ist offenbar groß. Elternvertreter berichten, dass Vertretungslehrern selbst dann Klassenleiterposten oder Abiturkurse angetragen werden, wenn sie noch kein Referendariat absolviert haben. Erschwerend komme hinzu, dass die Vertretungskräfte mitunter nicht einmal zu Anfang von den Schulleitern oder ausgebildeten Kollegen angeleitet würden. Dies wird von betroffenen Lehrkräften bestätigt. „Der Senat nimmt in Kauf, dass Leute unausgebildet und ohne jede Kontrolle unterrichten“, berichtet etwa der Mathematik- und Physiklehrer Alexander Wolf aus eigener Erfahrung. Er selbst sei nicht im Unterricht besucht worden: „Solange sich keiner beschwert, passiert nichts“. Ähnliche Berichte finden sich auch auf der Homepage der Junglehrerinitiative „Bildet Berlin“, die zurzeit solche Beispiele sammelt, um die Folgen des Lehrermangels zu dokumentieren und Druck auf den Senat auszuüben (www.bildet-berlin.de).

Inge Hirschmann vom Grundschulverband wundert sich nicht über derartige Schilderungen. „Wenn ein Lehrer 28 Stunden unterrichtet und noch etliche weitere Aufgaben wahrnehmen muss, hat er kaum Zeit, Vertretungslehrer im Unterricht zu besuchen“, ist ihre Erfahrung. Letztlich zeige sich an solchen Punkten, „dass in Berlin alle Ressourcen auf ein Minimum zusammengestrichen wurden“, sagt Hirschmann, die die Kreuzberger Heinrich-Zille-Grundschule leitet.

Wozu das führen kann, schildert die Tempelhofer Elternvertreterin Doris Dreißig. An ihrer Schule sei eine nicht voll ausgebildete Kraft als Klassenlehrerin eingesetzt worden. „Die Situation lief aus dem Ruder“, sagt Dreißig. Die Frau sei komplett überfordert gewesen, die Kinder hätten mit Bauch- und Kopfschmerzen reagiert, eine Unterstützung durch das – ebenfalls überforderte – Kollegium habe es nicht gegeben.

Beate Stoffers, Sprecherin der Bildungsverwaltung, hat kein Verständnis dafür, wenn unausgebildete Vertretungskräfte sich selbst überlassen werden. Es liege eindeutig in der Verantwortung der Schulleiter, für Unterstützung und Betreuung zu sorgen. „Dazu gehören sowohl regelmäßige Unterrichtsbesuche als auch die Evaluation und Anleitung durch die Schulleitung selbst, andere Funktionsträger an der Schule und erfahrene Kollegen“, betont Stoffers. Berichte, wonach sogar Kräfte als Vertretungslehrer eingesetzt wurden, die zuvor zweimal durch das Staatsexamen gefallen waren, konnte Stoffers nicht bestätigen. Eine der betroffenen Schulen, die auf der Seite von „Bildet Berlin“ genannt wird, wollte sich auf Nachfrage nicht äußern.

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