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Ausbildung: Lehrstellen bleiben Leerstellen

Die Chancen von Jugendlichen, 2008 in Berlin eine passende Lehrstelle zu finden, stehen gut. In der Hauptstadt gibt es 1257 freie Ausbildungsplätze - doch die Unternehmen finden keine geeigneten Bewerber.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) meldete gestern noch 1257 offene Ausbildungsplätze in 92 Berufen. Im laufenden Jahr wurden schon 6500 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Das sind zwei Prozent mehr als vor einem Jahr. „Wir hoffen, dass der Rekord von 2007 mit 13077 neuen Verträgen bis zum Jahresende mindestens erreicht, wenn nicht sogar übertroffen wird“, sagte IHK-Sprecher Holger Lunau.

In Berlin bilden derzeit 4455 Unternehmen in 281 Berufen aus. Das sind zwei Drittel der Lehrstellen. Für den Rest sind die Handwerksbetriebe und der öffentliche Dienst zuständig. Und wie seit Jahren schon beklagen die Arbeitgeber, dass sie freie Ausbildungsplätze nicht besetzen können, weil die Bewerber nicht ausbildungsfähig oder -willig seien. Lesen und Schreiben ohne große Fehler, aber auch Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit werden vermisst.

Auch die Berliner Agentur für Arbeit teilte gestern mit, dass Bewerber mit ordentlichen Schulnoten und ohne unentschuldigte Fehlzeiten bessere Aussichten auf einen Ausbildungsplatz hätten. „Freundlichkeit und Kundenorientierung ist nicht nur in Dienstleistungsberufen ein Muss.“ Ein Projekt der Bildungsverwaltung soll jungen Menschen „mit erschwerter Vermittlungsperspektive“ helfen: Ab dem Schuljahr 2008/09 wird das Betriebspraktikum mit Unterricht an der Berufsschule gekoppelt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bietet in Kooperation mit der Arbeitsagentur im August ein „Zukunftscamp“ für Schüler aus Brandenburg und Berlin an, um in lockerer Ferienatmosphäre „persönliche Stärken und Talente“ zu entdecken. Der Integrationsbeauftragte des Senats wiederum plant für den Winter, gemeinsam mit der Wirtschaft und Migrantenorganisationen, eine Kampagne zur besseren Vermittlung von Jugendlichen aus Migrantenfamilien.

Für das neue Ausbildungsjahr werden in Berlin vor allem noch Einzelhandelskaufleute und Konditoreifachverkäufer gesucht, aber auch Friseure und Elektroniker. Die Arbeitsagentur rät den Berufsstartern ohne Lehrstelle, noch rasch im Berufsinformationszentrum vorbeizuschauen. Dort können sie sich am PC über freie Ausbildungsplätze und über Berufsmöglichkeiten informieren. Auch über Alternativen zum Wunschberuf, der vielen unerreichbar erscheint. Denn 40 Prozent der Bewerber konzentrieren sich auf nur zehn „Traumberufe“.

Dass die Lage auf dem Ausbildungsmarkt trotzdem relativ entspannt ist, hat plausible Gründe: Wegen der demografischen Entwicklung – es gibt immer weniger Jugendliche im ausbildungsfähigen Alter – sinkt die Nachfrage. Gleichzeitig bieten viele Betriebe wegen der immer noch guten Wirtschaftslage mehr Ausbildungsstellen als früher an.

Der DGB warnt dennoch vor zu großem Optimismus. „Nach wie vor bildet in Berlin nur jeder fünfte Betrieb aus“, sagte DGB-Sprecher Dieter Pienkny. Zudem gebe es in der Region immer mehr Abiturienten und weniger Studienplätze. Viele Absolventen suchten deshalb eine Ausbildung in Industrieberufen. „Real- und Hauptschüler werden massiv verdrängt“, so Pienkny. Extrem verschärfen werde sich die Lage in drei Jahren wegen des Abiturs nach zwölf Jahren, wenn gleich zwei Jahrgänge von Oberschulabsolventen auch in die private Wirtschaft drängten. Viele Bewerber müssten jetzt schon ein oder zwei Jahre warten, bis sie einen Ausbildungsplatz fänden.

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