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Leichtathletik-WM: Hotel Estrel: Das Wohnzimmer der Sportler

Während der Leichtathletik-WM werden im Hotel Estrel über 1500 Teilnehmer aus 200 Nationen wohnen.

Ausgerechnet die Australier. Von denen hätte Peter Griebel keine Sonderwünsche erwartet. Jetzt wollen die Aussies unbedingt mittags und abends warm essen. Griebel muss also umdisponieren. Und das, obwohl der Essensplan seit Monaten feststeht. Peter Griebel ist Chefkoch im Hotel Estrel in Neukölln. In knapp zwei Wochen beginnt die Leichtathletik-Weltmeisterschaft. Über 1500 Athleten werden dann zusammen mit ihren Betreuern im Estrel untergebracht. 70 000 Essen müssen Griebel und vierzig weitere Köche jeden Tag bereitstellen. Zehn Tonnen Lebensmittel werden sie verarbeiten: Frisches Gemüse und Obst, viel Fisch und zartes Fleisch. Aber bloß kein Fett.

Im Innenhof des Estrels in Neukölln plätschert Wasser durch eine bunte Brunneninstallation. Das Rauschen vermischt sich mit den sirrenden Lüftungsgeräuschen. Rote und gelbe Stoffmarkisen hängen über einigen Fenstern. Links in der Passage ist ein Restaurant, daneben die Espressobar. Wie auf einer italienischen Piazza soll es auf dem 2 800 Quadratmeter großen Innenhof aussehen. Mit 1125 Zimmern ist das Estrel Deutschlands größtes Hotel. Zurzeit ist es zu 80 Prozent ausgebucht. Weil die meisten Hotelgäste um die Mittagszeit unterwegs sind, sind die vielen Bistrotische im Innenhof kaum belegt. Das wird sich in wenigen Tagen ändern. „Wenn die Sportler kommen, wird der Innenhof zum Wohnzimmer für die Athleten“, sagt Sandra Holzäpfel, zuständig für die Organisation während der WM. Andere Gäste wird es nicht geben. Die Athleten bleiben unter sich. „Die Sportler sollen abschalten können“, sagt Holzäpfel.

Normalerweise tagen Anzugträger im Estrel. Banker, Versicherungsleute, manchmal die SPD-Parteigenossen. Wenn die Sportler kommen, werden einige der klimatisierten Konferenzräume zu sogenannten Anti-Doping-Zimmern. Blutabnahmen und Urinkontrollen sollen hier stattfinden. Zudem hat die Hotelleitung einen Gebetsraum eingerichtet. Einzelne Zimmer wurden umgebaut, damit die geplagten Athletenkörper dort massiert werden können.

Zweiter Flügel, siebte Etage. Der beißende Geruch frischer weißer Farbe wabert noch durch die Luft. Links und rechts den Flur entlang reihen sich die Zimmer. Ein Bett, ein Schreibtisch, eine Lampe. Alles in weiß. Die Holzschränke sind in kräftigem Braun. Mihaela Djuranovic, Sprecherin des Estrels, führt durch die zukünftigen Zimmer der Athleten. „Die Einrichtung ist schlicht und soll zeitlos sein“, sagt Djuranovic. Die Präsidentensuite bekommt keiner. Auch die „Executive Suite“ mit Fernseher über der Badewanne ist nicht vergeben.

Sportler aus über 200 Nationen werden zur WM erwartet. Wo welcher Athlet wohnen wird, bleibt allerdings geheim. Israelis, Iraker oder Amerikaner werden sicher nicht im selben Flügel leben. Aus Sicherheitsgründen. An die sechzig Polizisten werden ständig im und um das Hotel postiert sein. Wer nicht ins Estrel gehört, kommt nicht rein. Djuranovic hofft, dass es keine Probleme geben wird. „Beim Sport spielen Nationalität und politische Konflikte doch keine Rolle“, sagt sie. „Aber man weiß ja nie.“

In jedem Zimmer stehen in der Minibar zwei kleine Flaschen Rotwein, daneben eine Schale mit Gummibärchen, Chips und Schokolade. „Die kommen auf jeden Fall weg“, sagt Djuranovic. Die Athleten sollen schließlich nicht in Versuchung geraten. Vielleicht gibt es stattdessen Obst und Powerriegel. Ganz spaßfrei wird das Leben im Hotel trotzdem nicht. Jeden Abend wird in der Kristallbar aufgelegt. Bis jetzt ist DJ Mr. Smith aus Hamburg eingeplant. Normalerweise legt er Discomusik bei Partys für über Dreißigjährige auf. Wilde Clubnächte wird es in der Kristallbar trotzdem nicht geben. Eher sollen die Sportler nach dem Wettkampf auf den weißen Sofas lümmeln und sich kennenlernen. Ohne Wettkampfdruck und ohne Presse. Der Schrank mit den Edelzigarren aus Kuba bleibt in jedem Fall verschlossen. Schließlich herrscht während der WM striktes Rauchverbot im ganzen Hotel.

Chefkoch Griebel freut sich derweil auf die Athleten. „Die sind ja auch ganz nett anzuschauen“, sagt er, zwirbelt mit zwei Fingern an einer Bartsträhne. „Bis auf die Kugelstoßer vielleicht.“ Griebel selbst macht erst mal noch ein paar Tage Urlaub. „Kräfte sammeln vor dem Sturm“, sagt er. Mit Marathonlaufen und Radfahren.

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