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Berlin: Lenins Evolution

Das Historische Museum stellt ein Denkmal des Sowjetführers aus – und hätte gern ein berühmtes dazu

Lenin steht kurz vor Berlin. Streng genommen ist er schon da, noch strenger genommen war er nie weg. Aber jetzt könnte es sein, dass er zurückkehrt. Und zwar mitten in die City. Einige Bezirksverordnete von Treptow-Köpenick wollten ihn für alle Zeiten vernichten – und haben ihn dabei versehentlich zu neuem Leben erweckt.

Lenin, Jahrgang 1970, rotgrauer Teint, 19 Meter groß, stand am heutigen Platz der Vereinten Nationen in Friedrichshain, bis er Ende 1991 unter den Protesten vieler Anwohner und Historiker demontiert wurde. In 125 nummerierten Einzelteilen brachte man ihn in den Köpenicker Wald jenseits der Müggelberge und begrub ihn unter Sandbergen.

Der Köpenicker Wunsch, das Denkmal aus edlem ukrainischen Marmor-Granit zu zermahlen, erreichte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Die hielt es für angemessener, statt der Beseitigung eine Debatte über die Zukunft des Denkmals zu veranlassen. Kultursenator Thomas Flierl (PDS) ließ gestern wissen, er sei „entschieden für eine museale Bearbeitung und gegen das Zerkleinern“. In den nächsten Wochen werde sich der Senat wohl auf eine Linie verständigen, sagte Flierls Sprecher Torsten Wöhlert. Dann könne das Land beispielsweise mit dem Deutschen Historischen Museum (DHM) Lenins Zukunft sichern.

Für DHM-Sprecher Rudolf Trabold liegt es nahe, den Oktoberrevolutionär als authentisches und historisch aussagekräftiges Objekt in die Obhut seines Hauses zu nehmen. „Wir haben aber noch keinen Platz dafür freigeräumt, weil uns noch niemand angesprochen hat.“ Die Unterbringung der kompletten Statue wäre auch schwierig, weil die Räume im Zeughaus nur sieben Meter hoch sind. Vier – wesentlich kleinere – Lenin-Denkmäler habe das DHM bereits im Depot, eines davon solle ab 2006 dauerhaft ausgestellt werden. Lenins weitere Verwendung hänge auch von dessen Zustand ab, wobei „Granit im Boden weniger schlimm ist als Bronze“.

Um die Verfassung des Denkmals gibt es diverse Gerüchte. Als vor zwei Jahren angesichts des Kinoerfolges von „Good bye, Lenin!“ schon einmal die Exhumierung diskutiert wurde, behaupteten Denkmalfreunde, Lenins tonnenschwerer Kopf sei längst gestohlen. Die Forstverwaltung dementierte: „Das ist absurd. Der Revierförster hätte mindestens die Spuren gesehen.“ Weil aber Grabräuber Teile der rötlichen Blöcke freigelegt hatten, ließ die Verwaltung noch einige Lkw-Ladungen Sand und Geröll darüber kippen.

„Jetzt ruht er sanft“, sagt Marc Franusch von der Forstverwaltung. „Er macht uns zurzeit keine zusätzliche Arbeit.“ Meldungen, wonach dem Kopf die Nase fehlt, bezweifelt Franusch: „Der Kopf liegt geschützt unten.“ Allenfalls seien Stücke von den Granitblöcken abgeplatzt.

CDU-Generalsekretär Frank Henkel erkennt in der aktuellen Debatte bereits „ein weiteres deutliches Signal, wohin die politische Reise in dieser Stadt gehen soll“. Der Treptow-Köpenicker Bürgermeister Klaus Ulbricht (SPD) ließ gestern via „Bild“-Zeitung wissen, dass auch er das Denkmal gern zermahlen sähe, aber das letzte Wort hat er nicht: Die Bezirke sind nämlich nur für stehende Denkmäler verantwortlich. Mit ihrer Zerlegung gingen Monumente ins Eigentum des Landes über, heißt es bei der Stadtentwicklungsverwaltung. Dort will man ohne Eile über Lenins Zukunft nachdenken: „Wir stehen da nicht in zeitlichem Druck.“ Falls ein markanter Stichtag gesucht wird: Am 9. November 2017 ist es 100 Jahre her, dass die russische Revolution begann.

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