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Berlin: Lesen und Genießen: Auf einen Kaffee zu Kiepert

Zu blöd. Die Sonne scheint.

Zu blöd. Die Sonne scheint. "Es soll zwar nicht regnen, aber grau und bewölkt sein - dann geht man zu Kiepert." Der Mann muss es wissen. Schließlich steht er oft genug in diesem Laden. Aber gerade heute, am ersten Tag, wo das Hauptgeschäft an der Hardenbergstraße komplett umgebaut ist, gerade heute also hätte Andreas Kiepert sich einen trüben Tag gewünscht.

Er macht sich unnötige Gedanken. Die Kunden kommen auch so. Weil sie sonnabends mehr Zeit haben. Aber auch, weil sie wissen wollen, wie Kieperts ihren Laden umgebaut haben. Vier Millionen Mark hat die Familie in ihren Stammsitz gesteckt und vor allem in ein Navigationssystem investiert. Das klingt komplizierter als es ist. Es bedeutet, dass Themengebiete nun farblich markiert sind - auf den Wegweisern, wie am oberen Rand der Regale; Geschichte zum Beispiel in Blau, Musik und Theater auf der gleichen Etage in Grün. Die Regale jedoch sind einheitlich grau. Das Sortiment orientiert sich jetzt nicht mehr nach Medien, sondern nach Themen. Taschenbücher stehen nun neben gebundenen Ausgaben, und wenn es sich anbietet, stehen Videos oder DVDs gleich daneben. Statt 150 000 Buchtiteln führt das Haus nun 180 000 Medientitel. "Von Hardcover bis Software" lautet jetzt der Leitspruch bei Kieperts, die aus ihrer Buchhandlung im traditionellen Stil ein Medienkaufhaus gemacht haben.

Und wie es sich für so ein Kaufhaus offenbar gehört, gibt es jetzt auch ein Café, betrieben von der Kette Balzac-Coffee, sowie Stühle und Sessel im ganzen Haus, auf denen sich die Kunden niederlassen können, um in Ruhe zu stöbern. "Idealerweise halten sich unsere Kunden künftig einen halben Tag bei uns auf", sagt Andreas Kiepert und schüttelt im Vorbeigehen einem Stamkunden die Hand. "Sie haben ja während der Bauarbeiten den Betrieb aufrecht erhalten", sagt der anerkennend. Aber auch: "Das war lästig." "Ja", entgegnet Kiepert, "ein ziemlicher Kraftakt. Aber jetzt ist alles fertig." In den nächsten eineinhalb Jahren sollen auch die Berliner Filialen der Traditionsbuchhandlung nach und nach umgebaut werden.

"Das ist corporate identity", sagt Kiepert und erklärt, warum die Familie das Firmenlogo vom vertrauten Grün in ein ungewohntes Rot wechselte: "Unser Farbpsychologe sagte, Grün sei eine Hintergrundfarbe und daher zu unauffällig für ein Logo. Da haben wir uns für ein leuchtendes Rot entschieden." Das kommt jetzt in einem Quadrat daher mit einem weißen Schriftzug und einer umgeknickten Ecke oben rechts.

Mit einem schwarzen Edding-Stift sitzt derweil Regisseur Tom Tykwer im Foyer und signiert die Bücher zu seinem Film "Der Krieger und die Kaiserin". Auf der Empore spielt eine Live-Band und im Café gluckern und rauschen die Kaffeemaschinen. Der Blick aus den großen Fenstern geht auf die fallenden Blätter und den Eingang des Renaissance-Theaters. In den oberen Etagen flitzen die Angestellten zwischen Info-Säulen und Regalen hin und her. Ihre Arbeitsplätze sind auf dem neuesten technischen Stand. Jeder Computer ist mit dem Internet verbunden und Mobiltelefone sollen die fernmündliche Auskunft erleichtern. Eine CD-Abteilung mit Jazz- und Klassik-Schwerpunkt gibt es jetzt auch, von der L&P-Gruppe unterhalten. Und wo einst die Kiepert-Taschenbücher standen, gibt es jetzt einen Zeitschriftenkiosk.

"Erschöpft und glücklich" umschreibt Andreas Kiepert am späten Vormittag seinen Gemütszustand. Glücklich ist er, weil die Kunden jetzt dutzendweise in den Laden kommen. Obwohl die Sonne scheint.

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