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Leserdebatte: Lieber Knöllchen statt Parkschein

Drei Euro pro Stunde im Zentrum – vielen ist das Ticket zu teuer, der EU-Abgeordnete Cramer findet es zu billig. Ein Pro und Contra.

Als siebenter Bezirk wird ab dem 1. Oktober auch Pankow die Parkraumbewirtschaftung einführen. Sind die Gebühren von bis zu drei Euro pro Stunde angemessen, zu hoch oder gar zu niedrig, wie Michael Cramer in einem Tagesspiegel-Beitrag meinte? Damit hat der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament eine heftige Diskussion ausgelöst.

Bisher ist Mitte der Bezirk mit den höchsten Parkgebühren. In der Ost-City und am Potsdamer Platz müssen drei Euro pro Stunde berappt werden. Dennoch sinken die Einnahmen kontinuierlich, sagt der Stadtrat für Bürgerdienste, Stephan von Dassel (Grüne). Die Autofahrer riskieren lieber ein Fünf-Euro-Knöllchen, als die Gebühr zu zahlen, hat auch sein fürs Ordnungsamt zuständiger Kollege Carsten Spallek (CDU) festgestellt. So hat die Summe der Verwarngelder in Mitte bereits die Hälfte der Einnahmen aus den Parkscheinautomaten erreicht, doch den größten Teil der Knöllchen-Erträge muss der Bezirk ans Land abführen.

Pankow richtet zum Oktober drei Parkzonen ein, die weite Teile von Prenzlauer Berg umfassen. Zudem muss bis Mitternacht gezahlt werden. Sonst endet die Gebührenpflicht meist mehrere Stunden früher, in Spandau bereits um 17 Uhr (samstags 14 Uhr).

Während die Standardgebühr für eine Stunde einen Euro beträgt, wird in den Bereichen Kollwitzplatz und Oderberger Straße der doppelte Tarif verlangt. Und rund um die Max-Schmeling-Halle leistet sich der Bezirk eine Novität für die Berliner Autofahrer. Die hier stehenden Parkscheinautomaten werden so programmiert, dass sie bei Veranstaltungen den zulässigen Höchstsatz von drei Euro pro Stunde verlangen.

Ganz anders in Spandau, wo man als erster Bezirk bereits 2005 die „Brötchentaste“ einführte. In bestimmten Bereichen parkt man die erste Viertelstunde umsonst. „Der Parkraum muss geordnet, darf aber nicht überreguliert werden“, sagt Patrick Sellerie, Sprecher von Baustadtrat Carsten-Michael Röding (CDU).

Für die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus ist die Parkraumbewirtschaftung eine „Mangelverwaltung“, die nicht mehr Stellplätze schafft, sondern nur dazu dient, Geld in die Landeskasse zu bekommen, so deren parlamentarischer Geschäftsführer Uwe Goetze. So habe die Partei die Pankower Pläne abgelehnt und den Bürgenentscheid in Charlottenburg- Wilmersdorf unterstützt. Dort war es einer Initiative 2007 gelungen, die Einrichtung weiterer Parkzonen zu verhindern.

Es gehe nicht darum, möglichst viel Geld einzunehmen, meint dagegen der verkehrspolitische Sprecher der SPD- Fraktion, Christian Gaebler. Ziel sei es, den Autofahrern deutlich zu machen, dass der Parkraum einen Wert hat, und Pendler abzuschrecken, die einen Parkplatz acht Stunden und länger blockieren und im Berufsverkehr „die Straßen vollstauen“. Die derzeitigen Gebühren hält er in Höhe und Staffelung für angemessen. „Anpassungsbedürftig“ seien dagegen die Ordnungsgelder für Autofahrer, die keinen Parkschein ziehen.

Der verbreitete Glaube, dass dies immer nur fünf Euro kostet, ist übrigens falsch. Parkt der Wagen bei der nächsten Runde der Ordnungshüter nach mindestens einer halben Stunde noch immer an derselben Stelle, verdoppelt sich die Gebühr auf zehn Euro und kann sich bei mehr als drei Stunden auf maximal 25 Euro erhöhen. Die Verwarnungsgelder sind bundesweit einheitlich geregelt.

In Paris und London sind mit bis zu 3,60 bzw. fünf Euro pro Stunde nicht nur die Parkscheine teurer, sondern auch die Knöllchen – wie fast überall in Europa.

Soll Parken teurer werden?

Pro

Nehmen wir zum Beispiel den Potsdamer Platz: Rings um das Einkaufszentrum ist von früh bis spät alles zugeparkt. Wer nur kurz bleiben will, zieht sich einen Parkschein für 75 Cent. Und hat dann genug Zeit, beispielsweise beim Italiener eine Kugel Eis für 1,20 Euro zu kaufen und zu essen. Wer länger bleibt, wirft vernünftigerweise gar nichts in die Parkuhr – und hat bei der Rückkehr nach vier Stunden vermutlich ein Knöllchen über fünf Euro am Scheibenwischer. Macht 1,20 Euro pro Stunde – so viel wie eine Kugel Eis. Der Ehrliche ist entweder der Dumme, weil er für dieselben vier Stunden hier zwölf Euro zahlt. Oder er parkt auf der anderen Seite des Landwehrkanals, wo die Stunde nur einen Euro kostet. Zur Erinnerung: Für einen Euro gibt’s etwa 0,7 Liter Benzin.

Das gesamte Preissystem ist demnach schief. Und dass die teuersten Bereiche zugleich die begehrtesten sind, zeigt, dass die Nachfrage höhere Preise rechtfertigt. Wer aus Bequemlichkeit für sein (im Stadtverkehr übrigens konkurrenzlos umweltschädliches) Auto zehn Quadratmeter beste Citylage beansprucht, soll dafür auch beste Citylagenpreise bezahlen. Und wer sich davor drückt, soll nicht mit einem Knöllchen für fünf Euro davonkommen, wenn gleichzeitig eine vergessene Monatskarte in der Bahn 40 Euro Strafe kostet. Stefan Jacobs

Contra

Keine Frage, Berlins öffentliches Nahverkehrsnetz ist perfekt gestrickt. Aber es gibt dennoch eine ganze Menge guter Gründe, auch mal mit dem Auto in die City zu fahren. Zum Beispiel, um größere Einkäufe zu transportieren. Um als Familie mit einer Schar Kinder ins Theater oder Kino zu gehen. Oder um beruflich einen wichtigen Termin zu erledigen und anschließend ein weiter entferntes Ziel anzusteuern, das mit Bussen und Bahnen nur schwer erreichbar wäre. In all diesen Fällen ist die finanzielle Schmerzgrenze bei den jetzigen Parkgebühren von zwei bis drei Euro in zentralen Lagen längst erreicht. Sechs oder gar neun Euro, nur um das Auto für eine überschaubare Zeit abzustellen, ist schon ärgerlich genug.

Noch höhere Tarife aber wären eine Zumutung und außerdem unsozial. Denn bei den jetzigen Parkgebühren fährt ein Elternpaar mit zwei oder drei Kindern im Auto noch immer etwas günstiger in die Stadt als mit der BVG. Für deren Tickets müssten sie alle zusammen hin und zurück zwischen 15 und 17 Euro bezahlen.

Parkuhren und Kontrollen sind zweifellos sinnvoll, damit die City nicht von Dauerparkern blockiert wird und möglichst viele Menschen Busse und Bahnen nutzten. Doch sollte man mit Augenmaß vorgehen. Radikalität ist kein guter Ratgeber.Christoph Stollowsky

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