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© Thilo Rückeis

Leserdebatte: Sarrazin: Anfangsverdacht auf Volksverhetzung

Nach abfälligen Äußerungen über Einwanderer hat die Berliner Justiz ein Ermittlungsverfahren gegen Ex-Senator Thilo Sarrazin eingeleitet. Es werde der Anfangsverdacht der Volksverhetzung geprüft. Was meinen Sie? Diskutieren Sie mit!

Der frühere Berliner Finanzsenator hatte mit Aussagen über in Berlin lebende Einwanderer in einem Interview in der Zeitschrift "Lettre International" Empörung ausgelöst. Mittlerweile hat sich Sarrazin für seine Äußerungen entschuldigt. "Die Reaktionen, die mein Interview verursacht hat, zeigen mir, dass nicht jede Formulierung gelungen war", schrieb der frühere Berliner Finanzsenator am Donnerstag in einer "persönlichen Mitteilung". Sein Anliegen sei es gewesen, die Probleme und Perspektiven der Stadt Berlin anschaulich zu beschreiben, nicht aber einzelne Volksgruppen zu diskreditieren.

Die Türkische Gemeinde empört sich über die Aussagen Sarrazins. "Das ist unerhört!", sagte am Donnerstag deren Vorsitzender Kenan Kolat . "Sarrazin schießt häufig über das Ziel hinaus und macht sich keine Gedanken über die Auswirkungen seiner Aussagen." Auch der Vorstandsvorsitzende der Türkisch-Deutschen Unternehmervereinigung (TDU), Hüsnü Özkanli, und der Sprecher des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg, Safter Çinar, zeigten sich entrüstet. "Das ist absolut unter der Gürtellinie und inhaltlich völliger Quatsch", sagte Çinar.

Sarrazin, der erst im Mai als Manager zur Bundesbank gewechselt war, hatte in der am Donnerstag erschienenen Kulturzeitschrift "Lettre International" unter anderem von "etwa 20 Prozent der Berliner Bevölkerung" gesprochen, die ökonomisch "nicht gebraucht werden". "Eine große Zahl an Arabern und Türken in dieser Stadt, deren Anzahl durch falsche Politik zugenommen hat, hat keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel." Große Teile der türkisch- und arabischstämmigen Bevölkerung Berlins seien "weder integrationswillig noch integrationsfähig".

Linke: Sarrazin ist geistiger Brandstifter

Sarrazin fügte hinzu: "Die Lösung dieses Problems kann nur heißen: kein Zuzug mehr, und wer heiraten will, sollte dies im Ausland tun." 70 Prozent der türkischen und 90 Prozent der arabischen Bevölkerung würden diesen Staat ablehnen und nicht vernünftig für die Ausbildung ihrer Kinder sorgen. Es werde sich vermutlich keine Perspektive entwickeln. Das gelte auch für eine deutsche Unterschicht.

Nichtleistungsträgern müsse "vermittelt" werden, dass sie "ebenso gern woanders nichts leisten können". Er würde einen völlig anderen Ton anschlagen und sagen: "Jeder, der bei uns etwas kann und anstrebt, ist willkommen; der Rest sollte woanders hingehen."

Die Linke-Politikerin Evrim Baba kritisiert den Ex-Finanzsenator wegen seiner abfälligen Äußerungen über sozial Benachteiligte in der Hauptstadt als "geistigen Brandstifter". Sarrazin diskriminiere nicht nur bestimmte Mitglieder der Gesellschaft, sondern trage zur weiteren Verstärkung vorhandener struktureller Diskriminierungen bei, sagte Baba am Donnerstag. Darüber hinaus bestärkten die Aussagen "das ohnehin für diesen Personenkreis existierende von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen und Beleidigungen gekennzeichnete Umfeld".

Die Bundesbank distanzierte sich bereits am Vortag entschieden von den Äußerungen. (nal/ho/AFP/dpa/ddp)

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