zum Hauptinhalt
Das Banner an der Hausfassade ist weithin sichtbar. Immer wieder bleiben Passanten stehen und lesen, was in roten Buchstaben auf weißem Grund über ihren Köpfen prangt.

© Kitty Kleist-Heinrich

Leserdebatte: Und wieder schließt ein Club

"Nun gibt es statt 1300 Clubs in dieser Stadt nur noch 1299. Welch Verlust für die Generation 'Wir feiern nur an Tagen, die auf -tag enden - und Mittwochs.'" Das schreibt eine Tagesspiegel-Leserin. Beteiligen auch Sie sich an der Debatte zum Thema Clubsterben.

Nachrichten wie diese sind selten zu hören in der Clubszene: Das ADS, vormals Maria am Ostbahnhof, öffnet wieder, ein Jahr wird noch gefeiert – mindestens. Eigentlich will dort, gleich neben der Schillingbrücke in Friedrichshain, ein Hamburger Investor ein Hotel, Büros, Wohnungen errichten. Doch weil es Probleme gibt, verzögert sich das Neubauprojekt. Es müsse geklärt werden, ob der Bund oder das Land die Sanierung der Ufermauern an der Spree bezahlen muss, sagte eine Sprecherin des Liegenschaftsfonds, deswegen wurde der Vertrag mit dem Club um ein Jahr verlängert. Sollte das Land zahlen müssen, könnte das die Kosten an den Hamburger Investor weitergeben, der das Gelände im vergangenen Jahr erworben hatte.

Und so kann im ADS wieder getanzt werden. Die Wiedereröffnung soll am 17. oder 18. Februar sein, sagte Betreiber Ben de Biel bei einer Diskussion zum Thema „Musik, Clubkultur und Gentrifizierung“ am Potsdamer Platz, zu der das Kulturnetzwerk all2gethernow eingeladen hatte.

Der Zeitpunkt der Diskussionsrunde hätte passender nicht sein können. Denn zeitgleich wurde in Prenzlauer Berg der Klub der Republik, der am Monatsende schließen muss, symbolisch zu Grabe getragen. Und auch der Tape-Club teilte am Freitag mit, dass er schließen wird. Nach fünf Jahren ist im Lagerhaus in der Heidestraße nördlich vom Hauptbahnhof im Februar Schluss. Der Club weicht der Quartiersentwicklung, dort wird die Heidestraße verbreitert. Der Mietvertrag läuft bis Mai und würde danach nur monatlich verlängert werden. Darauf haben die Betreiber keine Lust und suchen nach neuen Räumen. Man habe mit dem Aus von Anfang an gerechnet.

Die Clubszene ist aber nicht nur unter Druck wegen all der Neubauten. Sie sorgt sich auch wegen der unklaren Vorgaben, ob die Betreiber nun 19 Prozent Umsatzsteuer zahlen müssen oder nur sieben. Und dann sind da immer wieder Klagen von Nachbarn zu hören, die sich über den Lärm beschweren. Berlin will den Lärmschutz ab 22 Uhr in Einzelfällen lockern, aber das müsse in erster Linie auf Bundesebene diskutiert werden, sagte Senatssprecher Richard Meng. Er stellte aber klar: Berlin brauche die Clubkultur.

Künftig sollten stadtpolitische Ziele stärker in die Liegenschaftspolitik mit einbezogen werden, dazu gehöre auch Kulturförderung. Zudem wolle man die Verwaltungen und Entscheidungsträger für das Thema sensibilisieren. Klaus Lederer, Landesvorsitzender der Linken, bezweifelte aber, dass Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) angesichts der finanziellen Lage der Stadt auf Einnahmen von Investoren verzichten und stattdessen die Flächen lieber kostengünstig den Clubs überlassen wird.

Um den Musikstandort zu entwickeln und Strukturen zu schaffen, werde gerade nach Vorbild des Medienboards unter Federführung der Senatskanzlei mit der Branche ein Musicboard konzipiert, sagte Meng. Das Medienboard kümmert sich um Filmförderung und Standortmarketing. Die Idee kam von der Clubcommission und zwei weiteren Verbänden. Ende des Jahres könnte die Arbeit beginnen, Haushaltsgelder sollen eingeplant werden. Medienboard-Geschäftsführer Elmar Giglinger betonte die Bedeutung einer zentralen Anlaufstelle und verwies auf die Erfolge des Medienboards.

Clubcomissionssprecher Lutz Leichsenring hält die Vorschläge des Senats hingegen für „Lippenbekenntnisse“. Die Commission selbst lässt gerade ein Konzept entwickeln für einen Fonds, der Clubs bei Problemen zur Seite steht, aber auch Flächen entwickeln könnte. Das Geld soll von Privatleuten kommen. "Noch finden Clubs anderswo Flächen, sie können nach Kreuzberg, Neukölln und Treptow ziehen oder gleich dort öffnen. Aber die Angst geht um, dass bald überall in der Stadt Verhältnisse herrschen, wie es teilweise in Prenzlauer Berg der Fall ist", sagte Leichsenring. Um das langfristig zu verhindern, müsse man jetzt handeln. Berlin laufe Gefahr, seine Rolle als Trendwetter zu verlieren.

„In Berlin merkt man es erst, wenn etwas Wesentliches fehlt“, sagte ADS-Betreiber Ben de Biel. "Ich könnte kotzen", sagte er und warf den Verwaltungen vor, nicht miteinander zu kommunizieren. Seit Jahren mache er Vorschläge zum Umgang mit Clubs, doch die seien allesamt verhallt. Konzertveranstalter Berthold Seliger warf der Politik eine Verzögerungstaktik vor. Auch Christopher Lauer (Piraten) und Olaf Kretschmar von der Berlin Music Commission bemängelten die Untätigkeit des Senats.

Katrin Schmidberger, Sprecherin der Grünenfraktion für Clubkultur, will diese mit der Hochkultur gleichstellen und entsprechend fördern. "Hedonismus, Freiheit, Clubs. Deswegen wollen Leute hier leben", sagt sie. Marc Wohlrabe, ehemaliger Clubcomissionssprecher, forderte, beim Musicboard Fördertöpfe für den Lärmschutz einzurichten. Zudem müsse die Stadtentwicklung mit ins Boot geholt werden.

Das alles wird dem Schokoladen in Mitte vermutlich nicht mehr helfen. Am Montag erwartet Betreiber Chris Keller, die Räumungsklage zu verlieren. Dann wäre im Sommer Schluss – nach 22 Jahren.

Was meinen Sie, liebe Leserinnen und Leser? Nutzen Sie die Kommentarfunktion unten auf dieser Seite und diskutieren Sie mit!

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false