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Autorenduo. Axel Hacke (l.) und Giovanni di Lorenzo sind befreundet.

© Mike Wolff

Lesung mit Giovanni di Lorenzo und Axel Hacke: Polit-Freak und Felsgrottenmadonna

Giovanni di Lorenzo und Axel Hacke lesen bei der Veranstaltung "Zeitung im Salon" aus ihrem Buch – über Werte und Jugendsünden.

Das Publikum reckt die Hälse. Giovanni di Lorenzo wedelt mit seinem alten Schülerausweis hin und her – mitsamt Beweisfoto. Alle, die am Montagabend zur Salon-Lesung im großen Saal des Tagesspiegelgebäudes am Askanischen Platz gekommen sind, wollen wissen, wie der „Zeit“-Chefredakteur und Herausgeber des Tagesspiegels als Teenager aussah. Gerade hat er eine sehr eindrucksvolle Beschreibung von seinem früheren Ich vorgelesen – aus dem Buch „Wofür stehst Du? Was in unserem Leben wichtig ist. Eine Suche“. Gemeinsam mit dem Kolumnisten Axel Hacke hat di Lorenzo es geschrieben: „Ich trug die Haare so lang und offen wie eine Felsgrottenmadonna von Leonardo, dazu hatte ich mir einen schwarz-braun gefleckten Parka zugelegt.“ Er habe so ausgesehen, als „rechnete ich jeden Moment damit, mich im antikapitalistischen Kampf monatelang im Wald verstecken zu müssen“. Axel Hacke sitzt neben di Lorenzo in einem roten Sessel und sagt: „Ich hatte auch lange Haare, aber nicht so schöne Locken wie Giovanni.“ Er sei am Gymnasium ein „belächelter Polit-Freak“ gewesen.

Auf die Suche nach Werten sind die beiden Autoren in ihrem Buch gegangen. Darüber sprechen sie bei der Veranstaltung, die Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt moderiert. „So eine Suche ist nur glaubhaft, wenn wir sie auf uns selbst beziehen“, sagt di Lorenzo. Sie seien dafür „ans Eingemachte“ gegangen, ergänzt Hacke. Vieles, das die beiden Freunde an diesem Abend vorlesen, ist autobiografisch und sehr persönlich: Aufzuschreiben, wie es war, als Teenager aus Italien nach Deutschland zu kommen sei „fast eine Therapiestunde“ gewesen, sagt di Lorenzo. Er liest die Geschichte einer Konfrontation mit einem alten Nazi-Studienrat, der di Lorenzos Wahl zum Schülersprecher vor der Klasse mit den Worten kommentierte: „Di Lorenzo, diesen alten Itaker, sollte man aufhängen.“ Unterstützung vom Schulleiter bekam der Schüler damals nicht. Seiner Mutter erzählte er nichts davon, aus Angst, sie würde es nicht aushalten. Dann verrät er, dass er seinen Eltern das Buch nicht vor der Veröffentlichung zu lesen gegeben hat: Das habe er einfach nicht gekonnt.

Um das Verhältnis zu den Eltern geht es auch Hacke oft: „Politik war für mich gleichzeitig ein Versuch, meinem Vater nahe zu sein und mich von ihm abzugrenzen, indem ich eine andere Politik gemacht habe“, sagt Hacke. Er war damals bei den liberalen Jungdemokraten, sein Vater in der SPD. Und dann liest er noch vom Glasauge des kriegsversehrten Vaters, das ihn als Kind immer abends im Badezimmer aus einer Schale mit Borwasser anblickte.

Die beiden Autoren lesen immer abwechselnd. Am Schluss verbeugen sie sich Arm in Arm. Man sieht, dass sie Freunde sind.

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