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Berlin: Letzte Grüße aus Moskau

Markus Wolf in Friedrichsfelde beigesetzt Russlands Botschafter unter den Trauerrednern

Klezmerklänge, temperamentvolle jiddische und schwermütige russische Lieder unterhalten die Gäste, Melancholie begleitet die Trauerzeremonie für Markus Wolf. Der frühere DDR-Geheimdienstchef, der in der Nacht zum 9. November im Schlaf verstorben war, wurde gestern auf dem Zentralfriedhof in Friedrichsfelde beigesetzt. Weit über tausend Menschen wollen von ihrem „Mischa“ Abschied nehmen – es könnte das Treffen von Angehörigen einer Firma sein, die sich geraume Zeit nicht gesehen haben, aber auch jüngere Leute, die nichts mit Kundschafterei zu tun hatten, sind da, viele haben Rosen und Nelken mitgebracht. Linke Politiker wie Lothar Bisky, Hans Modrow oder WASG-Chef Klaus Ernst sind gekommen, auch Künstler, Verleger, Schauspieler, wir sehen Wolfs Nachfolger Werner Großmann und den einstigen ARD-Korrespondenten in der DDR, Lothar Loewe. Die viel zu kleine Trauerhalle kann nur mit einer Einladung betreten werden. Am Eingang lächelt der 83-Jährige auf einem großen Porträt, davor liegt ein Kranz von Markus Wolfs Verlag Das Neue Berlin, auf der Schleife steht doppeldeutig: „Er war ein Aufklärer“.

In der ersten Trauerrede, die auf den Platz vor der Halle übertragen wird, sagt der russische Botschafter Vladimir Kotenej, Deutschland habe einen seiner bedeutendsten Söhne und Russland einen seiner besten Freunde in Deutschland verloren. Der mit seiner Familie in die UdSSR emigrierte Junge „kannte das Gassengewirr im altehrwürdigen Moskauer Viertel ebenso gut wie die Moskauer Küche“, Wort und Tat seien bei ihm immer eins gewesen, und wenn manche auch versuchten, aus Markus Wolf eine dunkle Figur zu machen – er war ein Mensch, für den Freundschaft niemals ein leerer Begriff war. In Anspielung auf den „Sekundentod“, der Markus Wolf im Schlaf überraschte, zitierte der Botschafter ein russisches Sprichwort: „Nur die, die reinen Herzens sind, verabschieden sich so aus dem Leben.“

Der frühere Intendant des Berliner Ensembles, Manfred Weckwerth, lobte Wolfs Bemühen, mit seinem Charme Menschen zu eigenen Meinungen zu ermutigen, und zitierte aus einem Kondolenzbrief an die Witwe Andrea Wolf: „Er hat mitgeholfen, dass trotz vieler gefährlicher Situationen der Kalte Krieg nicht zu einem heißen Krieg geworden ist.“

Die Urne mit den sterblichen Überresten wird am Pergolenweg an der Seite von Markus Wolfs Bruder Konrad, dem Filmregisseur und einstigen Präsidenten der Akademie der Künste der DDR, in die Erde versenkt. Mit der Familie steht auch der Unternehmer Hans Wall am Grab – Markus Wolf ist sein Schwiegervater. Der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky sagt, Wolf sei seinen Idealen treu geblieben und habe gleichzeitig zu seinen Fehlern gestanden. „Er war ein großartiger Mensch mit einem offenen Ohr für uns alle“, meint ein älterer Mann über seinen ehemaligen Chef, „man spürte die russischen Wurzeln in seiner Seele.“ Dagegen vermisst ein Ex-Oberst der NVA aus Strausberg bei der Feier den revolutionären Schwung, „Das ist nicht erhebend. Ich hätte mir einige Kompanien aller Waffengattungen gewünscht und den Ernst-Busch-Chor, so gehört sich das bei diesem Mann.“ Am Grab wird er etwas versöhnt: Ein Solist hat zwar die Noten vom Ave Verum vor sich, aber er bläst den „Kleinen Trompeter“.

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