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Politik mit Biss. Die Spitzenpolitiker der Abgeordnetenhausfraktionen nahmen die letzte Sitzung des Abgeordnetenhauses der Legislaturperiode zum Anlass für Wahlkampfreden. Für die Zuhörer der Linken-Fraktion gab es Vitamine. Fotos: Davids/Darmer

© DAVIDS

Letzte Sitzung: Ein Parlament verabschiedet sich

Es wurde noch einmal heiß: Die Parlamentsfraktionen nutzen die Aktuelle Stunde zur Generalabrechnung. Wowereit und die Grünen schenken sich nichts, auch Henkel verteilte ordentlich an seine Kontrahenten.

Von Sabine Beikler

So eine Aktuelle Stunde wie am Donnerstag hätte man in den vergangenen fünf Jahren gern öfter gehört. Die letzte Parlamentssitzung vor der Wahl war eine der seltenen gelungenen politischen Debatten. In der Bütt sprachen am Donnerstag alle fünf Fraktionsvorsitzenden, die zum Teil mit spitzzüngiger Ironie die Politik ihrer Kontrahenten sezierten. Natürlich ging es um die Wahl und die letzten Umfragewerte. Die SPD malte schwarz-grüne Szenarien an die Wand, die Grünen forderten den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit zu einer Koalitionspräferenz auf. Während die FDP und die Linke sehr zahm ihre politische Bilanz zogen, biss sich die CDU an Wowereit fest. Und dann kam der Regierende Bürgermeister. Er attackierte scharf, die Grünen und die CDU. Wowereit trat gestern nicht nur als Berliner SPD-Spitzenkandidat auf. Er gab auch den Bundespolitiker.

Nachdem überraschend der fraktionslose Abgeordnete René Stadtkewitz von der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“ das Wort ergriffen hatte, appellierte Wowereit an die Berliner, zur Wahl zu gehen und „demokratische Parteien zu wählen, damit Rechtspopulisten keine Chance haben“. In seiner Rede erinnerte Wowereit an die wechselvolle Geschichte der Stadt, den Holocaust, den Mauerbau, die DDR, „die – keine Frage – ein Unrechtsstaat war“, wie er sagte. In Berlin habe man ein Klima geschaffen, in dem Ausgrenzung keine Chance habe, wo Menschen willkommen geheißen werden. „Wir wollen dieses Klima haben. Integration und Partizipation ist kein Fremdwort.“ Man könne nur „blind“ sein, wenn man dies nicht sehe. Er appellierte an eine „solidarische Gesellschaft“ der Stadt.

Es ging heiß her. Auch bei der letzten Debatte der Legislaturperiode zog es manchem Abgeordneten die Schuhe aus.
Es ging heiß her. Auch bei der letzten Debatte der Legislaturperiode zog es manchem Abgeordneten die Schuhe aus.

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Und dann rechnete er ab, zunächst mit der CDU. Die Parolen der Union zur Wahl seien nicht nachvollziehbar. Er habe den Eindruck, Spitzenkandidat Frank Henkel lebe in Parallelwelten. Und es sei die CDU gewesen, die Verantwortung an der Misere der Bankgesellschaft getragen und den Standort Schönefeld für den Großflughafen durchgesetzt habe. Wowereit sprach Henkel direkt an. Es sei die schwarz-gelbe Bundesregierung gewesen, die die Programme der sozialen Stadt „radikal“ gestrichen habe. Und es sei ein „Skandal“, wenn Kanzlerin Angela Merkel sich hinstelle und eine bessere Landesregierung in Berlin fordere. „Berlin hat eine bessere Bundesregierung verdient“, konterte Wowereit.

Lesen Sie auf Seite zwei: Wowereit warnt die Grünen davor, Bedingungen zu stellen.

Tschüs. Bildungssenator Jürgen Zöllner sagte dem Hohen Haus ade.
Tschüs. Bildungssenator Jürgen Zöllner sagte dem Hohen Haus ade.

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Und dann kam Wowereit auf die Grünen zu sprechen. Er machte keine Aussage zu einer Koalitionsoption, wie sie Fraktionschef Volker Ratzmann zuvor von ihm gefordert hatte. Es sei ein „Witz, was die Grünen bei der inneren Sicherheit zu bieten haben“, sagte er. Und noch „schöner“ sei das Zusammenspiel der Grünen und der CDU. Er habe bei den Grünen eine „flammende Rede für Grün-Schwarz“ vermisst. „Oder lassen Sie sich wieder mal eine Türe offen“, sprach er Ratzmann an. Die Liberalen bekamen ebenfalls ihr Fett weg. Der FDP-Spitzenkandidat Christoph Meyer wolle Rot-Rot verhindern. Was aber seien die Liberalen denn? „Sie sind gar nichts mehr, sondern wurden von den Piraten überholt.“

Er warnte die Grünen scharf, jetzt schon Bedingungen für eine Koalition mit der SPD zu stellen. Ratzmann hatte zuvor einen Stopp der Verlängerung der A 100 als „bitterernste“ Bedingung für eine Koalition gefordert. Der Mentalitätswechsel, wie er von Rot-Rot versprochen wurde, sei nicht eingetreten. Der Senat habe eine „Politik der Mittelmäßigkeit“ betrieben und ein rotes Filznetz über die Stadt gespannt, „aus dem sich Rot-Rot selbst bedienen konnte“. In Anlehnung an den Wahlkampfslogan der SPD („Berlin verstehen“) sagte Ratzmann: „Verstehen heißt verschleiern.“ Wowereit habe mit seiner Politik Verlierer in der Stadt geschaffen, sagte CDU-Fraktionschef Frank Henkel. Von seiner Richtlinienkompetenz habe Wowereit keinen Gebrauch gemacht. Henkel kritisierte wie Ratzmann die Wirtschaftspolitik von Rot-Rot, die Bildungspolitik und die Mietenpolitik in der Stadt. Wowereit habe nichts unternommen, die Probleme der Stadt zu lösen, in der jede Nacht Autos brennen würden. Allein die Banken hätten durch den Schuldenberg der Stadt gewonnen. „Das ist eine Versündigung an unserer Stadt.“

Sehr schwach dagegen war die Bilanz der FDP und der Linken. Der liberale Spitzenkandidat Christoph Meyer kritisierte die rot-rote Politik, die Berlin fast überall zum „Schlusslicht“ gemacht habe. In der Stadt werde ein Klima der „Lebensstilintoleranz“ geschaffen. Es fehle in der Stadt der „Mut, an Einzelverantwortung zu glauben“. Und dem Linken-Fraktionschef Udo Wolf blieb nichts anderes, als daran zu erinnern, dass Rot-Rot eine gute Politik gemacht habe und die Linken gerne die Fortsetzung von Rot-Rot hätten. Diese Koalitionsoption aber ist die einzige, die laut Umfragen überhaupt keine Mehrheit mehr hat.

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