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Berlin: Leute: Die großen Werke entstehen in der Freizeit

Es kann sein, dass es dieses Dorf wirklich irgendwo gibt. Aber es ist eher unwahrscheinlich.

Es kann sein, dass es dieses Dorf wirklich irgendwo gibt. Aber es ist eher unwahrscheinlich. Denn wo steht schon eine Burg mitten im Ort, umgeben von einer Kirche und einigen Häuschen? Für ein paar Treptower Kinder gehört aber eine Burg zu einem Dorf. Deshalb wollten sie diese unbedingt sehen, als ihre Lehrerin Claudia Berhorst vor zwei Jahren eine Giebelwand am Bruno-Bürgel-Weg gestaltete. "Ich wäre selbst nie auf diese Idee gekommen", sagt die 35-Jährige, die in ihrer Freizeit Häuserwände bemalt.

Gegenüber der Waldorfschule prangt ihr farbenfrohes Werk. Genau in 24 Tagen hat sich die zierliche Frau dort auf 234 Quadratmetern verewigt. Ein wenig wurde sie dabei allerdings von ihrem Mann unterstützt, erzählt sie. Sonst hätte sie bestimmt noch mehr Blasen an den Händen gehabt. Fünf bis sechs Stunden bewegte sie manchmal den dicken Quast über die rauhe Fassade. An den künstlichen Baumreihen ist sie fast verzweifelt. "Die standen anfangs so verloren herum und sahen richtig erbärmlich aus", erinnert sich die Köpenickerin. Aber die optische Täuschung ist ihr trotzdem gelungen. So scheinen die natürlichen Bäume, die vor dem Gebäude stehen, in die gemalten überzugehen.

Um die Orientierung an der riesigen Wand zu erleichtern, teilte sich die schwindelfreie Künstlerin den Untergrund in Quadrate ein. So konnten das schmale Flüsschen, der Kirchturm und die Natur richtig plaziert werden. Claudia Berhorst hat inzwischen beobachtet, dass solche Fantasielandschaften den Menschen am besten gefallen. Obwohl das eben nur eine Seite ihrer Kunst ist. Genauso gern erdenkt sie typografische Gebilde. An der Köpenicker Gutenbergstraße probierte sie sich an einem sanierten Haus auf diesem Gebiet aus. Mehrere 1,40 Meter große Buchstaben scheinen dort ineinander zu verschmelzen. Die anthrazitfarbenen Versalien heben sich deutlich von der weißen Wand ab. "Aus der Ferne wirken sie jedoch am besten", ist sich die Gestalterin sicher. Wenn sie mit ihrem Fahrrad von ihrer Köpenicker Wohnung über die Dammbrücke fährt, freut sie sich jedes Mal über den Anblick. Dabei beobachtet sie manchmal auch amüsiert, wie Leute versuchen, die Buchstaben "KP" zu erklären. Für viele ist es einfach die Abkürzung für Köpenick. In diesem Fall sind es allerdings die Initialen des Hauseigentümers.

Die rührige Kunsterzieherin, die vor sieben Jahren mit ihrer Familie von Nordrhein- Westfalen nach Köpenick kam, wünscht sich noch mehr Hausbesitzer, die sie für ihr Hobby gewinnen kann. Vor allem Eckhäuser haben es ihr angetan. In den vergangenen Monaten gelang es ihr, neue Kontakte zu knüpfen. Mehr möchte sie nicht über künftige Projekte verraten. Nur so viel: Bald wird eine Ausstellung in der Köpenicker Mediathek ihrer Werke gezeigt.

Claudia Berhorst erfüllt sich mit den Wandmalereien einen Kindheitstraum. "Es ist schön, etwas Besonderes, Überdimensionales zu machen, das den meisten Leuten gefällt", sagt sie. An den typografischen Arbeiten reizen sie vor allem die dabei entstehenden Muster. "Des Geldes wegen mache ich das jedenfalls nicht", betont die junge Frau, die gegenwärtig ihr Erziehungsjahr nimmt. Eines Tages würde sie gern ein Schiff auf einer Fassade erscheinen lassen. "Diese Idee haben mir neulich ein paar Laubenpieper zugerufen. Und außerdem passt ein Schiff auch ganz gut zum "maritimen" Köpenick.

Steffi Bey

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