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Berlin: Licht brennt die ganze Nacht

In zehn Tagen beginnt der Kirchentag. Im Vorbereitungsbüro wird rund um die Uhr gearbeitet

Die Tage von Martin Jochen Wittschorek sind grau. Graue Balken markieren die bereits verplanten Zeiten in seinem elektronischen Terminkalender. Kaum eine weiße Fläche ist frei. Zehn Tage vor Beginn des Kirchentages ist der Pressesprecher im Dauereinsatz. Bis Mitternacht sitzt Wittschorek - groß, schlaksig, dunkelblaue Jeans, weißes Hemd - in seinem Büro. Dabei ist er nicht einmal der Letzte, der geht. In dem Bürohaus an der Otto-Braun-Straße brennt zurzeit die ganze Nacht das Licht.

In der Geschäftsstelle des ersten ökumenischen Kirchentags sind 90 Mitarbeiter Tag und Nacht auf den Beinen. Auf sieben Stockwerken in Mitte, wo erst die DDR-Volksarmee und später Verteidigungsminister Volker Rühe residierte, wird das Großereignis minutiös geplant. In manchen Büros stehen Liegen zum Übernachten, oben im siebten Stock hat die Geschäftsführung eine Köchin angestellt, damit die Gestressten, die nicht mehr zum Einkaufen kommen, wenigstens einmal am Tag etwas Warmes zu essen kriegen. Wer holt die Referenten vom Flughafen ab? Wie gehen wir mit fliegenden Händlern um? Wenige Tage vor Beginn des Kirchentages tauchen Probleme auf, an die auf den bisherigen Organisationsrunden noch keiner gedacht hat.

Ein Riesenproblem immerhin ist gelöst: Für die 14 000 Besucher des Kirchentages, die nicht bei Freunden oder in einer Turnhalle unterkommen, gibt es nach Wochen heftigsten Werbens genügend Unterkünfte in Privatquartieren. Und auch die andere große Zitterpartie ist überstanden: Die Bahn, die mit 38 Sonderzügen rund 30 000 Kirchentagsgäste transportieren soll, hat in dieser Woche endlich eine feste Zusage über die Anzahl ihrer Waggons machen können. Bis Donnerstag sei nicht klar gewesen, ob sie das gewünschte Kontingent überhaupt erreicht, sagt ein Mitarbeiter.

6000 freiwillige Helfer haben sich in der Geschäftsstelle angemeldet. 450 „HKs“ (Harter Kern) werden ab Montag mit dazustoßen, der große Rest erst unmittelbar vor dem Kirchentag. Die Helfer, die zumeist christlichen Jugendgruppen angehören, werden unter anderem die 60 000 Papphocker falten müssen, auf denen die Besucher auf dem Messegelände sitzen sollen – 60 000 Pappwürfel, die aussehen wie kleine Umzugskisten mit aufgedrucktem Kreuz. „Ganz stabil“, lobt der 32-jährige Wittschorek die Kiste aus dem niedersächsischen Northeim. „Bloß leider nicht fürs open air.“

Um das leibliche Wohl der erwarteten 200 000 Kirchentagsbesucher kümmert sich Daniel Cornelius. Gulaschkanonen wird es nicht geben – das Kirchentagsbüro hat Aufträge an die Messegastronomie und 30 professionelle Caterer vergeben. „Die Gäste haben heute andere Ansprüche“, sagt Cornelius.

Neben den Leuten, die die Helfer einteilen, haben zurzeit die Mitarbeiter des Service-Centers den anstrengendsten Job. Bis zu 200 Anrufe müssen die Telefonisten pro Schicht entgegennehmen. Wo werde ich schlafen? Wann geht mein Zug? sind die am meisten gestellten Fragen. Auch bei Wittschorek klingeln Telefon und Handy unablässig – ab Montag am Messegelände. Dorthin, wo der Kirchentag stattfindet, dorthin zieht an diesem Wochenende das Vorbereitungsbüro.

Frauke Herweg

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