zum Hauptinhalt

Lichtenberg: Architekten sanieren Altbau zu Öko-WG

Drei Architekten sanierten einen Lichtenberger Altbau und machten daraus ihr Ideal: eine Wohngemeinschaft für 20 Menschen.

Im Garten zwischen Apfelbäumen und den noch unbestellten Gemüsebeeten stand früher der Garagenhof: 16 Abstellplätze, jede Menge Altöl. „Man brauchte viel Fantasie, um zu sehen, was daraus werden kann”, sagt Ferdinand Beetstra (53). Gemeinsam mit den drei befreundeten Architekten Georg Harbrecht (55), Ulrika Maron (58) und Irmina Körholz (48) ging der Niederländer 1999 ans Werk, den mehrstöckigen Altbau in Lichtenberg ökologisch zu sanieren und zu einem Gemeinschaftswohnprojekt für heute 20 Bewohner zu machen. Mit Photovoltaikanlage und Solarthermie, einem hauseigenen Klärsystem zur Wasseraufbereitung und standardmäßig eingebauten Ein-Liter-Toilettenspülungen gewann das Projekt 2003 den Berliner Klimaschutzpreis. „Wir wollten wissen: Wie ökologisch und nachhaltig kann man in der Stadt überhaupt leben?” sagt Beetstras Mitbewohnerin Körholz über ihre Motivation. In Gemeinschaft zu leben und nicht in einer herkömmlichen Miet- oder Eigentumswohnung war gleichermaßen Wunsch und Ziel.

Allerdings mussten für die Umsetzung erste Hürden genommen werden: „Die Banken stehen nicht in den Startlöchern, um Hausgemeinschaften wie uns zu fördern“, sagt Beetstra. Also wählten die vier eine gängige Rechtsform, gründeten eine Kommanditgesellschaft. Zu Anfang waren sie zu neunt, heute gehört die Gesellschaft den vier Mitinitiatoren. Zugleich halten zwei kleine Windkraftfirmen aus Brandenburg, deren Geschäftsführer Ferdinand Beetstra ist, Anteile. Die Konstruktion habe den Vorteil, dass, wer aussteigen will, das tun kann, „ohne dass es sich direkt auf die Zusammensetzung der Hausgemeinschaft auswirkt, wie zum Beispiel bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft”, sagt er. Die Hausgemeinschaft soll demnächst rechtlich abgesichert werden, geplant sei eine Genossenschaft oder ein Verein.

Beetstra, Körholz und Harbrecht wohnen in dem Haus, sind Kommanditisten und gleichzeitig Mieter. Entscheidungen werden von allen Bewohnern im Konsens getroffen, jede Woche ist Plenum. Familien, Studenten, Alleinerziehende, die in WGs oder in der eigenen Wohnung leben, teilen sich die Gemeinschaftsküche, einen Aufenthaltsraum, das Gewächshaus und den großen Garten, wo sie Gemüse für die Hausgemeinschaft anbauen.

Es gibt Gruppen: Eine kümmert sich um die Lebensmittel, eine andere um die ökotechnischen Anlagen, eine dritte um die Wartung. Für die Gemeinschaftsräume gibt es einen Putzplan. Bewohnerin Karin Hübner findet das prima. Das Haus sei „gut organisiert und sauber“. Die Musikstudentin lebt seit fünf Jahren hier: „Ich habe das Gefühl, etwas sinnvolles zu tun, ökologisch und trotzdem nicht hinter dem Mond zu leben.“ Seit vergangenem Jahr leitet sie den Chor, in ihm singen Hausbewohner und Nachbarn.

„Die Idee ist, als Gruppe zu leben, aber auch etwas für den Kiez und die Umgebung zu tun“, sagt Ferdinand Beetstra. Der Chor und die kleineren Veranstaltungen im „Piekfeinen Laden“, einem Saal, der am Nachmittag von den Kindern im Haus zum Spielen und Herumtoben genutzt wird, sind ein Beispiel dafür. „Die Bewohner hier können sich aber auch zurückziehen”, sagt Irmina Körholz. Jede Wohnung ist eine Einheit für sich. Mieter im klassischen Sinne gibt es nicht. „Das Mietrecht sieht Gruppenwohnen gar nicht vor“, sagt Beetstra. Zur Sicherheit existieren Nutzungsverträge: Für den Fall, dass das Zusammenleben nicht klappt, gibt es ein Schiedsverfahren. Wenn das nichts nützt, ist danach eine Kündigung möglich. „Der Bewohner soll aber genügend Zeit bekommen, sich etwas anderes zu suchen.”

Dass die Chemie stimmt, ist gerade wegen der umweltbewussten Lebensweise innerhalb des Wohnprojekts wichtig. „Wir benutzen in der Waschküche nur ökologisches Waschmittel“, sagt Körholz. Alles andere wäre zu gefährlich für die Kläranlage. „Alles Wasser, was nicht mit Fäkalien in Berührung kommt, wird aufgefangen, gereinigt und zum Duschen oder für die Gartenbewässerung verwendet.“ Der Energiebedarf des Hauses liege um 75 Prozent unter dem Berliner Durchschnitt. Für das gesamte Haus gibt es nur eine Restmülltonne. „500 Euro sparen wir nur durch die Mülltrennung”, sagt Körholz.

Das Ziel waren langfristige stabile Mieten und niedrige Betriebskosten. „Wir sahen das Projekt als Möglichkeit, Grund und Boden der Spekulation zu entziehen“, sagt Irmina Körholz. Statt an hohen Renditen und Gewinnmaximierung arbeiteten die Selbstnutzer an ihrem Ideal: „Wir wollen, dass Mieter und Eigentümer gleichberechtigt zusammenwohnen.“ Daniela Englert

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false