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Lichtenberg: Beim neuen Vattenfall-Kraftwerk stehen die Zeichen auf Kohle

Je teurer Öl wird, desto unwahrscheinlicher ist der Betrieb auf Erdgasbasis. Denn die Preise sind aneinander gekoppelt.

Auf die heiße Diskussion folgt Funkstille: Vattenfall redet kaum mehr über seine Neubaupläne für ein Kraftwerk in Lichtenberg – obwohl sie weiter aktuell sind, weil das heutige Kraftwerk Klingenberg etwa 2015 ersetzt werden soll. „Wir prüfen ergebnisoffen“, heißt es seit Monaten. Allerdings entwickeln sich die Rahmenbedingungen so, dass das Ergebnis für Vattenfall ebenso unerfreulich werden könnte wie für hunderttausende Berliner.

Erdgas oder Steinkohle?

Kern des Dilemmas ist die Frage, ob das Kraftwerk mit Erdgas oder mit Steinkohle betrieben wird. Erdgas ist weitaus klimafreundlicher, aber nach bisherigen Äußerungen von Vattenfall nicht zu vertretbaren Konditionen zu bekommen. Da der Gaspreis stets dem fürs Öl folgt, dürften die Rohstoffkosten jetzt noch mehr für die Steinkohle sprechen. Das würde aber bedeuten: Bei gleicher Ausbeute entsteht mehr als doppelt so viel klimaschädliches Kohlendioxid wie im Gasbetrieb.

Wer aber viel CO2 in die Luft bläst, muss viele Verschmutzungsrechte kaufen. Über diesen Emissionshandel – mit einer beschränkten Zahl von Verschmutzungsrechten – will die Politik den CO2- Ausstoß senken. Über festgelegte Obergrenzen lassen sich die Preise regulieren: Je weniger Verschmutzungsrechte auf dem Markt angeboten werden, desto teurer müssen sie bezahlt werden. Die von Vattenfall zurzeit in der Lausitz erforschte Abscheidung und unterirdische Einlagerung des CO2 könnte ein Ausweg sein, ist aber längst nicht serienreif.

So oder so wird die Sache für Vattenfall teuer. Und die Kunden können zwar ihren Strom anderswo kaufen, nicht aber die Fernwärme: 400.000 Berliner werden laut Vattenfall vom Kraftwerk Klingenberg damit versorgt. Die Wärme entsteht bei der Stromerzeugung ohnehin. Während sie anderswo einfach verloren geht, ist sie in Berlin die Basis für die Planung. Das Prinzip „Kraft-Wärme-Kopplung“ (KWK) macht Kraftwerke effizienter und wird deshalb politisch forciert.

Werden die Berliner geschröpft?

In der – eigentlich guten – KWK-Förderung sieht der Grüne Michael Schäfer ein entscheidendes Risiko. Sollte Vattenfall tatsächlich ein Kraftwerk für zwei Millionen Tonnen Steinkohle im Jahr bauen, würde das so viel Wärme erzeugen, dass künftige Regierungen die Berliner zwingen könnten, sich ans Fernwärmenetz anschließen zu lassen. Schon jetzt forcieren Bundesregierung und Senat eine möglichst hohe KWK-Quote. Mit seinem Monopol könnte Vattenfall, so die Befürchtung, die Berliner nach Belieben schröpfen. „Das Vorhaben ist durch seine Größe ein Wettbewerbskiller“, resümiert Schäfer. Darin ist er sich mit Wirtschaftsverbänden einig: IHK und Handwerkskammer forderten sogar, Vattenfall den Neubau zu verbieten – was allerdings als nahezu chancenlos gilt.

Vattenfall plant das Kraftwerk mit einer Fernwärmeleistung von 650 Megawatt, die 800 Megawatt Strom ergeben würde – rund dreimal so viel wie heute. Der ließe sich auch anders erzeugen, ist für Vattenfall aber der größte Gewinnbringer. Die Fernwärme jedoch kann vorerst weder durch Erdwärme, Biomasse, Wind- oder Sonnenenergie komplett ersetzt werden. Insofern bleibt nach Meinung von Kritikern nur eines: Abspecken. Die avisierte Leistung halten Fachleute angesichts von immer besser wärmeisolierten Gebäuden für viel zu groß.

Regine Günther, die bei der Umweltorganisation WWF das Referat Energie und Klimaschutz leitet, sagt: „Ein Gaskraftwerk ist wohl die einzig realistische Lösung.“ Auch sie fürchtet, dass die Stromkonzerne durch zu billig kalkulierte Verschmutzungsrechte die Kohle schönrechnen – und später die Politik unter Druck setzen, damit die den Betrieb ihrer Kohlekraftwerke nicht zu teuer macht.

Kraftwerk soll kleiner werden

Der Lichtenberger Baustadtrat Andreas Geisel (SPD) sagt, dass Vattenfall sich wohl bis 2009 Zeit lassen wolle. Dann dürfte die politische Zukunft der klimaschädlichen Kohle klarer sein. Auch Geisel hofft, dass das Kraftwerk deutlich kleiner wird – auch, weil dann kein so riesiger Kühlturm die Umgebung verschandeln würde. Zugleich erinnert er daran, „dass der eigentliche Klimasünder jetzt dasteht“ – in Gestalt des aktuellen, ineffizienten Kraftwerks.

Die Verzögerung kann auch dem Senat nützen: Viel mehr als ein „Nein zu Kohle“ hatte er bisher nicht zu bieten. Jetzt laufen Bestandsaufnahmen, die Belege dafür liefern könnten, dass es auch kleiner geht. Aber noch ist alles offen. 

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