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Lichtenberg: Ein Bürgerentscheid, der folgenlos bleibt

In Lichtenberg wird über Bau eines Supermarktes abgestimmt – Bürger sind dafür, das Amt dagegen.

In Lichtenberg werden am Sonntag 128 000 Euro an Steuergeldern mit Anlauf in den Sand gesetzt. So viel kostet der Bürgerentscheid am Sonntag. Doch egal wie die Bürger abstimmen, ändern wird sich nichts. Das Vorhaben widerspreche geltendem Landesrecht, über das sich das Bezirksamt nicht hinwegsetzen könne, erklärt Stadtrat Andreas Geisel (SPD).

Das empört Barbara Safirov. Sie ist Initiatorin des Bürgerentscheids und wollte eigentlich nur ein Einkaufszentrum für ihren Kiez. Das Handelsunternehmen Globus beantragte vor gut einem Jahr, auf dem Gelände eines ehemaligen Obst- und Gemüsegroßhandels ein Warenhaus mit einer Verkaufsfläche von etwa 8400 Quadratmetern errichten zu dürfen. Die Bezirksverordnetenversammlung lehnte das aber wegen der Größe des Projekts ab. Dies gefährde die Existenz kleinerer Läden im Kiez. Viele Anwohner, wie Barbara Safirov, machte das wütend. „Die im Rathaus haben dem Investor nicht einmal richtig zugehört“, erzählt Safirov. Mit ihrer Bürgerinitiative „Wir wollen den ganzen Globus“ hat sie gut 13 000 Unterschriften gesammelt. Derzeit fehlten Einkaufsmöglichkeiten an der Landsberger Allee und Arendsweg.

Viele Menschen trifft man dort nicht. Eine verwahrloste Grundstücksfläche steht zum Verkauf und ein leer stehendes Möbelhaus wetteifert mit den grauen Plattenbauten um Aufmerksamkeit. Die Tristesse wird nur unterbrochen von zahlreichen neongelben Plakaten mit der Aufschrift: „Nein zur Vernichtung von Arbeitsplätzen in Lichtenberg.“ Damit machen die Einzelhändler aus dem nahe gelegenen Allee-Center Stimmung gegen die Ansiedlung von Globus.

„So genau haben wir das zu Beginn natürlich alles nicht gewusst“, räumt Safirov heute ein. „Wir haben gedacht, die finden einen Kompromiss.“ Man habe sich nur Gehör verschaffen wollen, zeigen, dass man den Kiez nicht verkommen lassen wolle. Dabei wäre es beinahe auch geblieben, denn das Bezirksamt hätte einen Bürgerentscheid über die Ansiedlung des Einkaufszentrums mit Verweis auf die Zuständigkeit des Senats einfach ablehnen können. Doch die Globus-Gruppe wollte es anders und stellte der Bürgerinitiative die auf Verwaltungsrecht spezialisierte Kanzlei Lenz & Johlen zur Seite.

Mit einer umständlichen Formulierung gelang es den Anwälten, ein Gesetz zu umgehen, das Bürgerentscheide verbietet, wenn der Bezirk gar nicht zuständig ist. Das klingt dann so: „Stimmen Sie für das Ersuchen an das Bezirksamt, in Abänderung der Beschlusslage, das eingeleitete Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes 11-43, nicht fortzuführen, durch welches die Ansiedlung eines Globus SB-Warenhauses in der Landsberger Allee 360/362 verhindert wird?“ In der Konsequenz ist der Bürgerentscheid nun aber auch bei einem positiven Votum nicht mehr als eine sehr teure Empfehlung, die das Bezirksamt nicht beherzigen muss. „Wir dürften auch in einem neuen Bebauungsplan ein Warenhaus dieser Größe nicht genehmigen und können das Ersuchen nicht annehmen“, sagt Geisel.

Barbara Safirov ist mittlerweile ein bisschen resigniert. Eine Einigung ist nicht in Sicht. Gespräche mit Globus über einen kleineren Markt an anderer Stelle blieben ergebnislos. Um das Geld, das nun umsonst ausgegeben wird, tut es ihr leid. Mit der Abstimmung geht am Sonntag deshalb auch ihr politisches Engagement zu Ende. „Ich bin nicht Don Quichotte, der gegen Windmühlen kämpft“, sagt sie. Trotzdem wird sie noch mit „Ja“ stimmen. Per Briefwahl. Am Donnerstag ist sie in den Urlaub geflogen. Sidney Gennies

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