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Berlin: LIEBES KUMMER

Kurze Zeitreise zurück in die 90er Jahre: Kuhfell-Outfits, Buffalo-Schuhe, neonfarbene Polyesterhosen, knallbunte Stachelfrisuren. Alles lange her.

Kurze Zeitreise zurück in die 90er Jahre: Kuhfell-Outfits, Buffalo-Schuhe, neonfarbene Polyesterhosen, knallbunte Stachelfrisuren. Alles lange her. Oder doch nicht? Die diesjährige Loveparade ist modemäßig immer noch ein quietschvergnügter Karneval des eigenwilligen Geschmacks. Zwei Jahre sind seit dem letzten Umzug vergangen und etliche Raver haben es scheinbar kaum erwarten können, ihre in aufwendiger Handarbeit gefertigten Kleidungsstücke endlich wieder aus dem Schrank hervorzuholen. Immer noch stark angesagt: T-Shirts mit mehr oder weniger witzigen Sprüchen. Beispiel gefällig? Man kann nicht nur Trübsal blasen. Kann man lustig finden. Muss man aber nicht unbedingt.

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Die Besucher des Technoumzugs haben zum T eil lange Anfahrtswege auf sich genommen. Um jedoch ein Missverständnis klarzustellen: Besonders aufgedreht und hemmungslos sind nicht nur die Gäste aus der ostdeutschen Provinz. Auch Besucher aus Russland, Finnland und Polen verzichten einen Tag lang auf gute Manieren. Die Notdurft wird ungeniert im angrenzenden Tiergarten verrichtet, das Bikini-Oberteil kurz gelupft, die gegenseitige Kontaktaufnahme mittels obszöner Gesten versucht.

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Übrig geblieben oder im falschen Film? Etliche Gäste scheinen mit dem eigentlichen Ansinnen der Loveparade nicht sonderlich vertraut. Gedankenlos wickeln sie sich imm er noch Deutschlandfahnen um die Hüften oder behängen sich mit Hawaiiketten in Schwarz-Rot-Gold. Gemeinsamer Schlachtruf all jener: „So sehen Sieger aus, schala-lala-la.“

Wichtiges Utensil aller Techno-Jünger: die Trillerpfeife. Sie wird sinn- und taktfrei eingesetzt, auch wenn sie gegen die wummernden Beats kaum ankommt. Gern dient sie als zwischenmenschliches Kommunikationsmittel: Wenn man sich schon nichts zu sagen hat, kann man sich wenigstens gegenseitig das Trommelfell wegtrillern. Großer Spaß. Wirklich.

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Das muss man auch erst mal können: leichtfüßig in kleinen Schritten über den Boden hüpfen, angetrieben von 130 Beats pro Minute. Gerne auch drei Stunden und länger. Körperliche Grenzen kennt der Raver beim Tanzen nicht. Mitunter wird der eigene Stil auch mit rudernden Armbewegungen variiert. Lässt sich auf den Laternen hockend nur schwer realisieren. Das hat sich inzwischen in der Techno-Community herumgesprochen.

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Einige prominente Gäste haben sich ebenfalls unter die Menge gemischt, wenn auch getarnt. Zum Beispiel Popliterat Benjamin von Stuckrad-Barre. Der versteckt sein Gesicht hinter einer großen, dunklen Pilotenbrille. Genutzt hat’s nichts. hey

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