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Eine Air Berlin-Maschine landet auf dem Flughafen Tegel.

© dpa

Liebeserklärung an einen Flughafen: Hatice Akyün fliegt auf Tegel

Hatice Akyün findet, dass Berlin mit Tegel und Schönefeld bestens bedient ist. Den BER sollte man aus Sicht unserer Kolumnistin anderweitig nutzen - als Museum für Subventionsruinen oder als Seniorenresidenz für Ex-Politiker.

Lang lebe Tegel! Jeder, der regelmäßig fliegt, liebt diesen Flughafen heiß und innig. Man ist ratzfatz dort, gleich drin und wenn man zurückkommt, steigt man direkt aus dem Flugzeug auf das Gepäckband und schon ist man wieder zu Hause. Die Wege sind so kurz, dass Frauen ihre flachen Wechselschuhe nicht einpacken müssen, um die sonst üblichen Strecken schmerzfrei zu überstehen. Das, was der BER angeblich irgendeines fernen Tages leisten soll, nämlich 27 Millionen Fluggäste befördern, macht Tegel mit knapp 20 Millionen schon heute. Und wenn ich die sieben Millionen von Schönefeld obendrauf lege, tausche ich zwei gegen eins, aber für welchen Preis? Wenn man Berliner fragt, was sich in ihrer Stadt ändern soll, wollen sie am liebsten, dass alles so bleibt, wie es ist. So wird auf dem Tempelhofer Feld gegärtnert, geradelt und Drachen steigen zwischen den Joggern auf, aber sonst nüscht.

Tegel und Schönefeld reichen völlig aus

Was hat man uns nicht alles erzählt, wie sich Passagierzahlen entwickeln würden. Und was ist davon real eingetreten? Air Berlin schrumpft und die Lufthansa führt eine weitere Luftbuslinie zum Billigfliegen ein. Die Märchenerzähler vom BER tun immer noch so, als ob die Bäume in den Himmel wachsen. Für mich ist Berlin mit Tegel und Schönefeld prima bedient. So viel Geld, wie man mittlerweile vergraben hat, wird man aber so lange nachlegen, bis die gewünschten Fakten für das Monsterding herbeigezwungen sind.

Dabei gibt es so viele schöne Möglichkeiten, was sich aus BER machen ließe. Man könnte jedes Jahr ein Land einladen, das sich dort präsentiert. Eine Art „Tropical Island“ für Kulturen. Drinnen kann man essen, shoppen, die Eigenarten des Gastlandes kennenlernen und seinen Horizont direkt vor der eigenen Haustür erweitern. Oder ein Museum für Subventionsruinen der Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart-21-Gedenkstätte, Elbphilharmonie-Mahnmal und auf der Landebahn darf jeder die 500 Millionen teuren Drohnen von Thomas de Maizière per Funkfernsteuerung starten und landen lassen.

Für die armen Tegeler sollte es kostenlose Grundstücke auf dem BER-Gelände geben

In der Abfertigungshalle ließe sich eine Seniorenresidenz für ehemalige Politiker einrichten, die aus ihren Fehlern nichts gelernt haben. Für Investoren gäbe es auch etwas zu verdienen. Wenn dort eh nichts fliegt, könnten sie drum herum kleine Siedlungen bauen. Eine Art Wandlitz 2, ein Freigehege für diejenigen, die uns diesen Flughafen eingebrockt haben. Mit Duty-free, denn mit Steuern sollten die nie wieder etwas zu tun haben. Ich stelle mir gerade vor, wie sich beim Sonnenuntergang das Licht im Glasbau spiegelt, und nur das Surren der Überwachungskameras zu hören ist, auf denen BER-Manager zu sehen sind, die im Radius ihres Horizonts Spaziergänge machen.

Für die armen Tegeler habe ich mir auch etwas Schönes einfallen lassen. Die bekommen kostenlos Grundstücke auf der BER-Fläche. Von den gesparten Millionen dürfen sie sich eine Villa mit Pool und Hubschrauberlandeplatz bauen. Und ich kann mich dann auch endlich zur Ruhe setzen. Meine „I love Tegel“-Shirts werden sich so gut verkaufen, dass ich mit dem Erlös die Karstadt-Kette retten könnte. Aber was weiß ich schon im Vergleich zu den Planungs-, Bau- und Finanz-Koryphäen des BER. Oder wie mein Vater sagen würde: "Başını acemi berbere teslim eden, cebinden pamuğunu eksik etmesin." Wer seinen Kopf dem unerfahrenen Barbier anvertraut, vergesse nicht, Watte einzustecken.

Hatice Akyün ist in Anatolien geboren, in Duisburg aufgewachsen und in Berlin zu Hause. Sie schreibt immer montags über ihre Heimat.

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