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Neuer Brauch: Liebesschlösser hängen an Berlins Brücken

Initiale in Bäume ritzen? Das war gestern. Seit Wochen verewigen sich Pärchen lieber an Geländern.

Vor drei Monaten bekannten sich Kahlo und Führmi öffentlich zu ihren Gefühlen. Sie ließen ein ganz normales Vorhängeschloss mit ihren Kosenamen und zwei Herzen gravieren, dazu das Datum: „15.05.2010“. Das Schloss befestigten sie an der Weidendammer Brücke in der Friedrichstraße. Vermutlich hatten sie dabei etwas Mühe, denn den preußischen Adler am Brückengeländers zierten bereits mehrere solcher Schlösser, und nur wenige Stellen sind dünn genug, um den Bügel zu schließen. Kahlo und Führmi gelang es schließlich doch.

Dass frisch verliebte Paare ihre Initialen in Baumstämme ritzen, ist bekannt. Dass sie individuell gestaltete Vorhängeschlösser an Brücken befestigen, um sich ewige Liebe zu schwören, ist neu. Liebesschlösser werden sie genannt, auch in Berlin findet man sie immer häufiger. An der Abteibrücke im Treptower Park zum Beispiel. Oder an der Gertraudenbrücke in Mitte. Wer ein solches Schloss an einem Brückengeländer befestigt hat, wirft den Schlüssel ins Wasser und besiegelt so symbolisch seine Liebe. Wo genau der Brauch herkommt, ist unklar, vermutlich aus Italien. Federico Moccias Roman „Drei Meter über dem Himmel“ machte ihn weltweit bekannt – mittlerweile bekennen sich Verliebte in Russland, der Tschechischen Republik, Ungarn, Litauen und China so zu ihren Gefühlen. Auch der Handel hat den Trend erkannt. Ein Schlüsseldienst verkauft eigens deshalb farbige Vorhängeschlösser.

In Prag gibt es den Trend schon länger: Hier ein Foto eines Lesers, aufgenommen auf der Kampa-Insel an Pfingsten 2009.
In Prag gibt es den Trend schon länger: Hier ein Foto eines Lesers, aufgenommen auf der Kampa-Insel an Pfingsten 2009.

© Horst Brettschneider

An der Weidendammer Brücke in Mitte hingen bis vor kurzem noch mehrere Dutzend dieser Schlösser. Mittlerweile sind sie entfernt worden. Von wem, ist unklar – auch Kahlos und Führmis Schloss ist weg. Das Bezirksamt reagierte auf Nachfrage mit amüsierter Verwunderung: Das Liebesritual kenne man noch nicht, und auch von den Schlössern habe man bislang nichts gewusst. War also ein von der Liebe Enttäuschter am Werk? Oder fielen die Schlösser Devotionalienjägern zum Opfer? Man wird es womöglich nicht erfahren. In Rom ist das Befestigen der gravierten Liebesbekundungen an öffentlichen Orten seit drei Jahren verboten. Unter der Last der vielen Liebesschlösser war eine Laterne umgeknickt.

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