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Berlin: Linke Gefahr - oder mehr Mythos als Manpower? "Antifaschistischer Kampf" vornehmlich in Werthebachs Fantasie

Sie kamen nahe heran. Doch es reichte "nur" zu Schmähungen, Weitspucken und dem sporadischen Einsatz von Eiern, Flaschen, Steinen.

Von Frank Jansen

Sie kamen nahe heran. Doch es reichte "nur" zu Schmähungen, Weitspucken und dem sporadischen Einsatz von Eiern, Flaschen, Steinen. Erneut war zu beobachten, dass die radikale Linke in Berlin nicht mehr über das Randalepotential verfügt, das einst in Kreuzberg zu besichtigen war. Dennoch skizziert Innensenator Eckart Werthebach eine enorme linke Gefahr. 1450 gewaltbereite Linksextremisten zählt der Verfassungsschutz, konstant seit 1996, obwohl die Straftaten-Zahl kontinuierlich abnimmt. Ende Februar erschreckte Werthebach sogar mit der Behauptung, jeder fünfte Linksradikale in der Bundesrepublik sei ein Berliner. Aber sechs Siebtel waren Sonntag wohl unabkömmlich.

Schon länger drängt sich der Verdacht auf, der Innensenator erweise den militanten Linken mehr Ehre, als sie verdient haben. Immerhin gibt das Landesamt für Verfassungsschutz, so war kürzlich im Fachausschuss des Abgeordnetenhauses zu vernehmen, für die Beobachtung der Linken doppelt soviel aus wie für die Observation der Neonazi-Szene. Das entspricht den offiziellen Statistiken, mit 1450 Hardcore-Linken versus 740 gewaltbereiten Neonazis - aber auch der Realität?

Es mögen 200 Linke gewesen sein, die auf der Leipziger Straße und später am Bauareal des Holocaust-Mahnmals handfesten Antifaschismus demonstrieren wollten. Bei früheren Gelegenheiten erwiesen sich die radikalen Berliner Linken sogar als unfähig, überhaupt in Sichtweite marschierender Neonazis zu gelangen. Vier Beispiele: Im Juni 1998 blieb der Aufmarsch von 350 NPD-Anhängern in Hohenschönhausen ungestört, die Linken suchten Spandau ab. Anfang Dezember 1998 stiefelten 470 Neonazis durch Tegel, die Polizei hielt die Gegendemonstranten ohne größere Mühe auf Distanz. Im April 1999 warteten Linke in Weißensee vergebens auf einen braunen Aufmarsch. Die Polizei hatte 160 Rechte zu einer Marzahner Industriebrache umdirigiert. Und am 29. Januar 2000 gelang es knapp 500 Linken, weitab der Neonazis zu protestieren - mehr nicht.

Die Gefahr linker Gewalt ist nicht weg. Doch die Szene scheint kaum mehr zu schaffen als Anschläge auf "Luxuskarossen" oder Neonazi-Pkw. Auch die Randale vom 1. Mai 1999 wäre ohne den Furor angereister Linker weniger üppig ausgefallen. Letzten Sonntag hätte die Linke den antifaschistischen Showdown inszenieren können. Sie tat es nicht. Der Wille war vorhanden. Aber es fehlte schlicht die Manpower. Trotz der Statistiken des Innensenators.

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