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Freundlich abgeneigt: Klaus Lederer (l.), Spitzenkandidat der Linken, und Georg Pazderski von der Berliner AfD.

© Mike Wolff

Linke und AfD im Doppelinterview: Knapper Sieg – auf beiden Seiten

Nach dem Streitgespräch zwischen Klaus Lederer (Linke) und Georg Pazderski (AfD) startet die Auseinandersetzung um die Rechtspopulisten neu. Viele sagen: Lederer habe Mut bewiesen.

Wie umgehen mit der AfD? Nach dem Tagesspiegel-Streitgespräch zwischen Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer und seinem Pendant von der AfD, Georg Pazderski, wird in den Parteien über die Auseinandersetzungen im Wahlkampf gesprochen. „Da hilft nur der inhaltliche Streit“, sagte Sozialsenator Mario Czaja (CDU). „Auf die meisten Fragen hat die AfD eben keine Antworten.“

Czaja kandidiert in Mahlsdorf erneut für das Abgeordnetenhaus und ist Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Wuhletal, der Marzahn-Hellersdorf abdeckt. Dort wird die AfD aller Voraussicht nach Stadträte stellen – die Umfragen in Gesamt-Berlin sehen die Rechtspopulisten derzeit bei 15 Prozent. Die Vorschläge der Partei, sagte Senator Czaja, lägen oft fern des demokratischen Konsenses: „Neben der Auseinandersetzung mit der AfD geht es aber vor allem darum, mit ihren potenziellen Wählern zu sprechen.“ Viele Bürger trauten sich nicht, bestimmte Themen mit Vertretern anderer Parteien zu besprechen. „Nicht jeder, der darüber nachdenkt, die AfD zu wählen, ist ein Rassist.“

Wer für die AfD stimmen wolle, weil er die Politik der Bundesregierung falsch finde, müsse bedenken, dass er die Rechtspopulisten fünf Jahre lang in den Bezirken und im Abgeordnetenhaus haben werde. „Die Partei hat aber keinen Plan für die Probleme im Kommunalen – darum jedoch geht es im September“, sagte Czaja. Außerdem gelte wegen der erwarteten Mehrheiten nach der Wahl im September: Wer AfD wähle, bekomme einen rot-rot-grünen Senat.

Positive Reaktionen aus der Linken auf Streitgespräch mit AfD-Mann

In der Linken selbst sind einige mit Blick auf das Doppelinterview zwar skeptisch – grundsätzlich aber ist folgender Tenor verbreitet: Gut, dass Klaus Lederer den Streit gesucht habe. Der Linken-Landesvorsitzende ist mit dem Gespräch intern ein Risiko eingegangen.

Die Berliner Linken-Spitze hatte in E-Mails an einige Mitglieder und Funktionäre erklärt, man führe das Doppelinterview, um die AfD zu stellen. Vor allem im Osten der Stadt, aber auch in Vierteln in Spandau oder Neukölln, konkurrieren Linke und AfD direkt um Wähler. Viele der in Marzahn-Hellersdorf lebenden Russlanddeutschen sollen zuletzt Sympathien für die AfD geäußert haben. Gabriele Hiller, sportpolitische Expertin der Linken-Fraktion und selbst aus Marzahn-Hellersdorf, sagte: „Grundsätzlich ist richtig, dass Klaus Lederer dem Streit nicht aus dem Weg gegangen ist. Ich hätte mir gewünscht, es wäre gelungen, noch deutlicher zu machen, dass wir durchaus harte Oppositionsarbeit geleistet haben.“

AfD-Spitzenkandidat Georg Pazderski hatte in dem Gespräch beklagt, Sorgen über Einwanderung und das mögliche Scheitern des Rechtsstaats würden auch von der Linken verschwiegen: „Es gibt ein Riesenproblem – und die Linke hat zugeschaut, das ist massives Oppositionsversagen.“ Mit Blick auf arabische Parallelgesellschaften in der Stadt sagte Pazderski: „Unser Staat muss sich das Gewaltmonopol zurückholen“ – ein Problem, das unter dem rot-roten Senat begonnen habe, für das also auch die Linke verantwortlich sei.

Linke Antworten auf Fragen aus der Mitte

Lederer selbst sagte, die Reaktionen, die er bislang erhalten habe, seien positiv gewesen. So habe ihn am Sonntag noch Klaus Baltruschat angesprochen – und gesagt, er sei stolz auf das Doppelinterview, weil man die AfD eben „stellen müsse“. Baltruschat ist ein linker Buchhändler, der 1997 von einem Neonazi niedergeschossen und verletzt wurde.

Der linke Arm und ein Finger der rechten Hand waren nach dem Attentat nicht mehr zu retten. „Dieses Lob“, sagte Lederer, „hat mich sehr berührt.“ Es sei richtig, mit der AfD zu streiten, sagte auch der Linken-Abgeordnete Wolfgang Albers, die Partei sei eine politische Erscheinung gesellschaftlichen Unbehagens. „Allerdings greift die Entlarvungsstrategie nicht, weil diejenigen, die AfD wählen, die Partei genauso wollen, wie sie ist.“ AfD-Mann Pazderski verbreite in dem Interview „heiße Luft“. Für die Linke komme es darauf an, auf – mitunter auch irrationale – Fragen aus der Mitte der Gesellschaft linke Antworten zu geben.

„Es bleibt dabei, die AfD ist nicht nur ausländerfeindlich, sondern vor allem arbeitnehmerfeindlich“, sagte Damiano Valgolio, der in der Berliner Linken für die Gewerkschafter spricht. „Die AfD will die Mietpreisbremse abschaffen und gleichzeitig die Grunderwerbssteuer für Spekulanten senken.“

In der AfD sind viele wohl dennoch zufrieden. Das bestätigte der Berliner Parteisprecher Ronald Gläser. Das Interview sei bei den eigenen Anhängern gut angekommen. „Es zeigt: Wir sind die Partei des gesunden Menschenverstandes.“

In der Berliner SPD wird ebenfalls über den Umgang mit der AfD diskutiert, auch wenn sich zu dem Doppelinterview, das am Sonntag im Tagesspiegel erschienen war, niemand äußerte. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte der AfD wiederholt den Kampf angesagt: Die rechtspopulistische Partei schade der Stadt, erklärte er, sie dürfe bei der Wahl im September nicht in das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen der Bezirke einziehen.

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