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Berlin: Linke werfen einander Stalinismus vor

Streit in Berlins Wahlalternative eskaliert: Mehrere Ausschlussverfahren laufen

Von Sabine Beikler

Bevor es richtig losgeht, zerlegt sich der Berliner Ableger der Wahlalternative, aus der eine neue Linkspartei werden soll, beinahe selbst. Seit Wochen schwelen Konflikte im Landesverband, jetzt wird der Ton schärfer. Hauptstreitpunkt: Ein Teil der Aktiven unterstützt das Volksbegehren zur Abwahl des Berliner Senats. Der Bundesvorstand der Wahlalternative lehnt diese Initiative wiederum ab. Inzwischen laufen gegen sechs Mitglieder des Landesverbandes der „Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit“ (WASG) Ausschlussverfahren. Am gestrigen Donnerstag haben zwei der vom Ausschluss bedrohten Mitglieder ihre Teilnahme an einer WASG-Veranstaltung abgesagt, auf der über die politischen Differenzen diskutiert werden sollte. „Wer sich in der Geschichte des Stalinismus auskennt, weiß: Vor einem Tribunal gibt es keine Chance auf faire Verteidigung“, schreiben Martin Reeh und Birger Scholz.

Über diese Worte ist Lothar Nätebusch entsetzt. „Ich verwahre mich gegen solche unerträglichen Vorwürfe“, sagt der WASG-Landeskoordinator und Landesvorsitzender der Industriegewerkschaft Bau. Diese Form der Auseinandersetzung erinnere ihn wiederum an „stalinistische Methoden“. Nätebusch wird von einer Hand voll der über 400 WASG-Mitglieder als Koordinator abgelehnt. Als er vom Bundesvorstand im Juli eingesetzt wurde, missbilligten einige Aktive den „Versuch“, sie „von oben“ zur Ordnung zu rufen. Martin Reeh sprach damals von einem „Kulturkonflikt“.

Vordergründig mag es um den Aufbau von Strukturen gehen. Dahinter liegen handfeste Auseinandersetzungen um politische Ziele. Klaus Ernst, Schweinfurter IG-Metall-Chef und Mitglied im WASG- Bundesvorstand, betrachtet den Aufbau einer Linkspartei als bundespolitisches Projekt. „Ein Volksbegehren zur Abwahl des Senats hat mit einer Linkspartei nicht zu tun“, sagt Ernst. Er habe den Eindruck, dass einige der Aktiven die Wahlalternative dafür instrumentalisieren und ihr „eigenes Süppchen“ kochen würden.

Die Befürworter des Volksbegehrens befürchten dagegen, dass sich die WASG mit der Ablehnung der Volksbegehrens eine mögliche Listenverbindung mit der PDS bei der Bundestagswahl 2006 offen halten will. Diese Vermutung ist für den bayerischen Gewerkschafter Ernst ein „ausgekochter Schmarrn“.

Wie der Bundesvorstand über die Auschlussverfahren urteilen wird, lässt Klaus Ernst offen. Er wolle in der nächsten Woche das „direkte Gespräch“ mit den sechs Personen suchen. Die Wahlalternative hat bundesweit inzwischen 5000 Mitglieder. Die Entscheidung zur Gründung einer Partei soll im November in Nürnberg per Mitglieder-Urabstimmung getroffen werden.

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