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Berlin: Lippenbekenntnisse

Franziska Pigulla und Christian Toberentz sind die deutschen Stimmen amerikanischer Serienstars

Neulich musste Franziska Pigulla Abschied nehmen. Von einer Frau, die ihr vertraut ist, obwohl sie sie bisher nie persönlich getroffen hat: Dana Scully, Special Agent in der TV-Serie „Akte X“. Denn sie ist Scullys deutsche Stimme. Vor allem jedoch kennt die 37-Jährige deren Augen, da „die zuerst verraten, dass Gillian Anderson alias Scully gleich etwas sagen wird“. Meist liegen nur Sekundenbruchteile zwischen diesem speziellen Augenblick und dem Einsetzen der Lippenbewegung. Franziska Pigulla muss also hellwach und hoch konzentriert sein. „Als wir vor fast zehn Jahren mit den Arbeiten an der ersten Staffel begannen, ahnten wir schon, dass die Serie auch hier ein Erfolg werden müsste“, erzählt die seit Jahren in Berlin lebende Rheinländerin. Doch dass sie Kult-Status erlangen und erst nach insgesamt neun Staffeln, deren letzte derzeit bei Pro 7 ausgestrahlt wird, eingestellt würde, schien damals illusorisch. „Ich habe die Serie in erster Linie als Chance gesehen, mal einen anderen Charakter als immer nur Bar-Schlampen spielen zu können", sagt Pigulla.

Ihre prägnante Stimme sei eben Fluch wie Segen. Sie klingt dunkel und rau, zugleich auch warm und weich. Verliehen wird sie nicht nur an Gillian Anderson, wenn die in TV-Serien oder Kinofilmen auftritt. Auch Sharon Stone und Demi Moore bekamen sie, und in „Men in Black II“ gehört sie der Celina. Rollen, die sie herausforderten und zu ihr passten. Scully habe ihr das Eintauchen in die Rolle von Anfang an leicht gemacht, „weil die Anderson eine brillante Schauspielerin und mir der Charakter der Serienfigur persönlich sehr nah ist“.

Eine beträchtliche Portion Wehmut wird mitklingen, wenn die letzten Sequenzen des „Akte X“-Originals über den Studio-Monitor geflimmert und an der Seite von Benjamin Völz alias Fox Mulder die letzten Dialoge gesprochen sind. Als Schauspielerin hat sie bisher lediglich 1990 in dem Streifen „Dr. M“ als Schauspielerin agiert. Manchmal sorge ihre Stimme für Irritation, weil sie sich bei den Leuten in Verbindung mit einem anderen Gesicht eingeprägt hat.

Christian Toberentz sind derartige Reaktionen gänzlich fremd. Er synchronisierte Denzel Washington in dessen erstem Kinofilm sowie in der Krankenhaus-Serie „St. Elsewhere“, sprach den Jonathan Rollins in „L.A. Law“ und ist derzeit allsonntäglich als Vulkanier Tuvok in der Sat1-Serie „Star Trek Voyager“ zu hören. Der besondere Reiz dieser Rolle habe darin gelegen, die auf Logik und Emotionslosigkeit basierende Persönlichkeit des Außerirdischen sprachlich zu transportieren, sagt Toberentz. „Als die ersten Episoden ausgestrahlt wurden, fragten mich Freunde, welche Figur ich denn spreche“, sagt er. „Da wusste ich, dass mir das gelungen ist.“

Allerdings seien die „Voyager“-Produktionsbedingungen auch außerordentlich gut gewesen – trotz der Vorgabe, jeweils zehn Folgen in nur vier Wochen zu synchronisieren: „Wenn man bei diesem enormen Zeitdruck keine guten Drehbücher, Regisseure und Kollegen um sich hat, kann am Ende nur ein qualitativ schlechtes Ergebnis stehen.“ Mit absurden Dialogen, die jeglichen Anspruch auf korrektes Deutsch vermissen lassen, und widerwillig durch den Text hetzenden, nach Verschlusslauten japsenden Sprechern. „Oft bekommt man ja erst während einer Serie mit, wie schlecht die Rolle ist“, weiß Christian Toberentz aus 20-jähriger Berufserfahrung. Dennoch und obwohl es ihn künstlerisch nicht erfüllt, nur nachzuspielen, möchte er auch in Zukunft nicht aufs Synchronisieren verzichten. Einerseits, weil ihm die Wandlungsfähigkeit seiner Stimme Gelegenheiten gibt, in unterschiedlichste Genres zu schlüpfen, mörderisch oder komisch, klassisch oder futuristisch zu sein. Andererseits, weil er seine „drei Lieben: Gesang, Tanz und Schauspiel“ als Mitinhaber einer Musicalschule bei szenischen Lesungen und als Mime auf der Bühne ausleben kann.

Maren Sauer

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