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Berlin: Lob für Zivilcourage und besonnene Polizei

Politiker würdigen den erfolgreichen Widerstand vieler Berliner gegen den NPD-Aufmarsch. 54 militante Linke festgenommen

Berlin hat den Nazi-Marsch verhindert. In seltener Einigkeit lobten gestern alle Parteien, dass so viele Berliner Unter den Linden ihr Gesicht gezeigt haben – es waren so viele, dass die Polizei den Marsch der Rechtsextremisten nicht mehr durchsetzen konnte. „Wir mussten aus Gründen der Verhältnismäßigkeit so handeln“, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gestern. Er warnte aber vor der Hoffnung, dass es künftig immer gelingen könne, NPD-Aufmärsche zu verhindern. Die NPD kündigte an, die Polizei-Entscheidung nachträglich vom Verwaltungsgericht prüfen zu lassen.

Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit lobte das friedliche Engagement gegen die NPD-Demo; ähnlich lauteten die Erklärungen der anderen Parteien. Einhellig würdigten sie auch das taktisch kluge Vorgehen der Polizei, die ein Zusammentreffen von Links- und Rechtsextremisten verhindert und die NPD quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu ihrer Versammlung geleitet hatte: „Der Sieger heißt Berlin“, sagte Frank Henkel von der CDU. Wie berichtet, hatte die NPD am 60. Jahrestag des Kriegsendes 3325 Anhänger mobilisiert, unter dem Motto „60 Jahre Befreiungslüge – Schluss mit dem Schuldkult“.

Zur Taktik gehörte nicht nur das sensible Vorgehen gegenüber den 10 000 Bürgern, die sich Unter den Linden versammelt hatten, sondern auch das martialische Aufgebot vieler tausend Polizisten, die mit etwa 30 Wasserwerfern und Dutzenden Räumfahrzeugen rund um den Alexanderplatz aufgefahren waren. Polizeipräsident Dieter Glietsch sagte, dass beiden Seiten klar gemacht werden sollte, „diese Linie ist nicht zu überschreiten“. So scheiterten militante Linke mit einem massiven Angriff auf die Sperren ebenso wie etwa 100 Rechtsextremisten, die nach Absage ihrer Demo in Richtung Weltzeituhr ausbrechen wollten. Glietsch sprach von 1000 gewaltbereiten Linken, die aus dem Bundesgebiet nach Berlin gekommen seien. 54 von ihnen wurden festgenommen, zwei dem Haftrichter vorgeführt.

Auffällig war am Sonntag, dass die meisten der 6000 Teilnehmer der linken Demo, die gegen 13 Uhr vor dem Alex geendet hatte, danach unbehelligt in Kleingruppen zurück auf die Karl-Liebknecht-Straße spazieren und sich dort unter die Bürger mischen konnten – dieser Teil von Mitte war weitgehend polizeifrei. So hatte sich gegen 15 Uhr eine bunte Menge von bis zu 10 000 Menschen zwischen Berliner Dom und Humboldt-Universität versammelt – darunter 1000 Autonome. Überraschend war auch, dass die Polizei nicht verhindert hatte, dass über 100 Linke den Palast der Republik besetzten. Vom Dach hätten sie die rechtsextremen Demonstranten mit Steinen bewerfen können, eine Räumung hätte erhebliche Probleme bereitet, sagte ein hochrangiger Beamter gestern. Durch die vielen friedlichen Menschen auf der Straße erledigte sich das Palast-Problem von selbst. Einige Unruhe entstand unter den Tausenden, die die Liebknechtbrücke blockierten, als die Polizei über Lautsprecher zur Räumung aufforderte. Allen war klar, dass dem keiner nachkommt, aber rechtlich waren diese Durchsagen zwingend.

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