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Berlin: Logik und Schwerkraft außer Kraft setzen

Thomas Otto verblüfft mit seinen Zaubereien das Publikum im Varieté Wintergarten. Seine Hände und seine Geheimnisse sind sein Kapital

Der Magier redet und redet. Amüsant wickelt der Conferencier sein Publikum um den kleinen Finger, und, Hastdunichtgesehn, verzaubert er den ganzen Saal. Im Handumdrehn. Da bleibt uns die Luft weg. Jeder grübelt: Wie macht der das? Man kriegt Komplexe. Weil es sich nicht erklären lässt, was sich da im „Wintergarten“ tut: Da verschwindet ein Geldstück und findet sich in einer Cola-Flasche wieder. Da geben Herren aus dem Publikum dem Magier ihre Eheringe, und der verbandelt sie vor aller Augen mit- und dann wieder auseinander. Oder, Höhepunkt des teuflischen Vergnügens: Ein Besucher übergibt dem zaubernden Künstler einen mit seinem Namenszug versehenen 50-Euro-Schein, der dann später unter einer gut bewachten gläsernen Glocke auf dem Boden einer (verschlossenen!) Dose mit Erdnüssen wieder zum Vorschein kommt.

„Wenn Sie mir verraten, wie Sie das machen, kriegen Sie auf der Stelle ein paar tausend Mark“, sagte ein aus der Fassung gebrachter betuchter Mensch auf dem „Traumschiff“. „Kam natürlich überhaupt nicht infrage, obwohl ich das Geld in diesem Moment bitter nötig gehabt hätte“, sagt der Magier Thomas Otto.

Kein Geheimnisverrat! Wo kämen wir denn da hin? Das, was da so spielend leicht über die Bühne kommt, hat sich der quirlige 35-Jährige intensiv erarbeitet. Und auch jetzt noch, wo der beredte, schlagfertige Hexenmeister in der ersten deutschen Zauberliga spielt, trainiert er täglich wie ein Virtuose seine Fingerfertigkeiten. Die Hände sind sein Kapital. Und das gute Gedächtnis, mit dem er sich spielend die Vornamen von bis zu 15 Leuten merkt, die in den vorderen Reihen sitzen und aus heiterer Bühne plötzlich zum Mitspielen verdonnert werden.

Angefangen hatte das alles, als der Onkel dem fünfjährigen Erfurter einen Zauberkasten schenkte. Klein-Thomas konnte plötzlich etwas, was die anderen nicht konnten, und er spürte, dass es Geheimnisse gab, mit denen man andere verblüffen konnte. Viel später entwickelte er Techniken der Täuschung, die ihn in die Lage brachten, „den Leuten für einen kleinen Moment Wunder vorzuspielen“. Als Schüler in Lübeck, 1980, schleppte er sämtliche verfügbaren Zauberbücher aus der städtischen Bibliothek (damit sie kein anderer ausleihen konnte) und bedankte sich für die Geduld der Bibliothekare mit seinem ersten öffentlichen Auftritt.

Nach der Schule ging Thomas Otto zunächst auf Nummer Sicher, wurde Chemielaborant und dann Laborleiter in einer Arzneimittelfirma, aber da sich beim Reagenzglasschütteln nie eine Hand zum Beifall regen würde, beschloss der 21-Jährige, sein Hobby zum Beruf zu machen. „Zauberkunst ist für mich das Vergnügen und der Spaß, die Vernunft, die Logik und die Schwerkraft für eine Weile außer Kraft zu setzen.“

Es geht immer und überall um das größtmögliche Wunder, am Anfang bei kleinen Festen auf Straßen und Plätzen, dann auf Kreuzfahrtschiffen und nun in den großen Varietés. Dieses Spiel mit dem Staunen des Publikums hat den Mann mit der Frohnatur nun (noch bis zum 25. April) ins Programm „Capriccio“ in den Wintergarten gebracht, damit ist für ihn „ein Traum in Erfüllung gegangen“, denn das Haus in der Potsdamer Straße sei nicht nur berühmt und sehr professionell, sondern brilliere auch mit einem tollen Team vor, auf und hinter der Bühne. Auf Berlin folgt eine Pause im heimatlichen Bauernhof in Holstein, Otto arbeitet an neuen Tricks und Texten, trifft sich mit Kartenkünstlerkollegen („eher Zusammenarbeit als Konkurrenzkampf“) und ist ab September – auch mit einer eigenen Show – wieder unterwegs.

Und was rät der Zaubermeister dem Jungen, dessen Herz vielleicht auch von solch einem Wunderkasten in Flammen steht? Viel Disziplin brauche man, Geduld, Mut zum Experiment, Ausdauer, Kreativität – kurz: Leidenschaft und Spaß.

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