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In der Branche der Türsteher gibt es schwarze Schafe. Politik und Polizei wissen Bescheid.

© pa/dpa/Bodo Marks

Lücke im Gesetz: Warum dürfen Berliner Clubs kriminelle Türsteher anstellen?

Vorbestrafte Gewalttäter bewachen mitunter die Türen der Clubs – und entscheiden, wer drinnen Drogen verkauft. Schuld ist eine ärgerliche Gesetzeslücke, die niemand schließen will. Ein Rant.

Es gibt Geschichten, die klingen so haarsträubend, dass man sie gar nicht glauben mag. Seit Jahren berichtet der Tagesspiegel darüber, wie sich die organisierte Kriminalität im Berliner Nachtleben ausbreitet, wie Großfamilien und Rockerbanden darum kämpfen, in Clubs den Türsteher zu stellen, weil schließlich gilt: Wer am Eingang steht, entscheidet, welche Geschäfte drinnen gemacht werden. Zum Beispiel, wer dort welche Drogen verkauft.

So weit, so schlecht. Zum Glück stellt der Gesetzgeber strenge Anforderungen an Menschen, die im Sicherheitsgewerbe arbeiten. Wer Türsteher werden will, braucht ein sauberes polizeiliches Führungszeugnis, darf also keine Vorstrafen haben. Das dachte ich jedenfalls. Bis mir neulich ein Bekannter erklärte, dass das nur theoretisch stimmt.

Eine ärgerliche Gesetzeslücke führt nämlich dazu, dass selbst mehrfach verurteilte Gewaltverbrecher an den Eingängen von Berliner Clubs kontrollieren dürfen. Mindestens genauso ärgerlich ist, dass diese Lücke in der Branche, bei der Polizei und auch in der Politik schon lange bekannt ist, aber keiner sie schließt.

Der Trick ist ganz simpel

Ich habe es mir erklären lassen. Normalerweise muss, wer im Sicherheitsgewerbe arbeitet, eine Sachkundeprüfung abgelegt haben. Das heißt, man muss wissen, wie man bei Streits deeskaliert. Und dass Zuschlagen nicht immer das beste Mittel ist. Das Zertifikat stellt die Handelskammer aus. Außerdem muss jeder Anwärter ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Und es wird geprüft, ob aktuell ein Verfahren läuft. Diese Regelung gilt für jeden Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens und auch für jeden Selbstständigen.

Problem nur: Die Clubs können das Ganze umgehen, indem sie keinen externen Dienst anfragen, sondern die betreffende Person einfach direkt bei sich anstellen. Schuld daran ist ein einfacher Satz aus der Gewerbeordnung, in dem es heißt: „Wer gewerbsmäßig Eigentum fremder Personen bewachen will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde.“

Nun ist es nicht so, dass die Clubs freiwillig Gangster einstellen. Sie werden freundlich darum gebeten. Und beim nächsten Mal schon weniger freundlich. Ein Mann aus der Berliner Clubszene, dessen Name nicht in der Zeitung stehen soll, sagt: „Natürlich sprechen wir hier von Mafiamethoden. Wenn der Druck groß genug ist, knickt jeder ein.“

"Diese Trägheit frustriert"

Der Staat könnte leicht Abhilfe schaffen und damit auch die Clubbetreiber vor Übergriffen schützen. Der frühere Polizeipräsident Dieter Glietsch ist schon vor neun Jahren auf die Gesetzeslücke aufmerksam gemacht worden. Michael Kuhr, Chef einer Berliner Sicherheitsfirma, hat das Problem mal anderthalb Stunden lang dem damaligen Innensenator Frank Henkel erklärt. Geschehen ist nichts. Kuhr sagt: „Diese Trägheit frustriert.“

Je länger man sich mit dem Thema beschäftigt, desto irrer wird es. Das Bundeskriminalamt unterhält eine Abteilung, die Gesetzeslücken dokumentieren und deren Schließung anregen soll. Diese Abteilung heißt „Retasast“, in lang: Rechtstatsachensammel- und -auswertestelle. Schon vor zwölf Jahren hat sich das Kommissariat des Berliner LKA, das damals für die Bekämpfung von Türsteherkriminalität zuständig war, an Retasast gewandt. Die Abteilung tat: gar nichts.

Es ist schon schräg, dass viele Berliner Clubs streng regulieren, welcher Gast drinnen mitfeiern darf und wer nicht, dass oft ein Paar Turnschuhe oder der falsche Akzent ausreichen, um am Ende der Warteschlange den Satz zu hören: „Du musst dir heute leider was anderes suchen.“ Bloß bei den Kerlen am Eingang, da soll jeder durchgeknallte Messerstecher mitmischen dürfen?

Die Gewerkschaft der Polizei ist ebenfalls verstimmt, dass es in all den Jahren nicht gelungen ist, den Fehler zu beseitigen. Es könne doch nicht sein, dass die organisierte Kriminalität von der Gesetzeslage profitiert, sagt Berlins GdP-Sprecher Benjamin Jendro. „Wir müssen über das Gaststättengesetz schnellstens eine Möglichkeit finden, um kriminelle Strukturen vor den Türen zu unterbinden.“ Alternativ könnte die Gewerbeordnung angepasst werden. Dazu bedürfte es dann einer Bundesratsinitiative, da hier Bunderecht gilt.

Beides wäre leicht machbar. Es geht ja nicht darum, einen Flughafen fertig zu bauen. Es müsste bloß ein Halbsatz in einer Verordnung geändert werden.

Dieser Text erschien als Rant im Tagesspiegel-Samstagsmagazin Mehr Berlin.

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