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Berlin: "Luna Papa": Tadschikische Phantasien: Zur Deutschlandpremiere traf sich die Crew im Kino International

Die magenfreundliche Mischung war das nicht: Hier ein Schlückchen Chardonnay, da ein Häppchen Eiskonfekt. Bei einer Filmpremiere nehmen die Gäste halt, was geboten wird.

Die magenfreundliche Mischung war das nicht: Hier ein Schlückchen Chardonnay, da ein Häppchen Eiskonfekt. Bei einer Filmpremiere nehmen die Gäste halt, was geboten wird. Nachdem aber am Dienstagabend der tintenblaue Vorhang im Kino International aufgezogen war, wurde es erst richtig schräg. Dabei klang der Filmtitel "Luna Papa" doch so, als könnte man sich gemütlich in seinen Samtsessel kuscheln. Bei den anfänglichen Turbulenzen auf der Leinwand saß man eher in Hab-Acht-Stellung. Es raste und ratterte und klingelte und dröhnte, das ganze armselige Dorf schien sich in heillosem Durcheinander aufzulösen.

Nur ein junger Mann, an dessen ausgebreiteten Armen halb gefüllte Flaschen baumelten, ließ sich von all dem bei seinen rührend anzusehenden Flugübungen nicht stören. Schweigsam ist der geistig zurückgebliebene Nasreddin, den Moritz Bleibtreu verkörpert. Hätte das Drehbuch ihm mehr Sätze zugebilligt, wäre es problematisch geworden. Denn Russisch kann er halt nicht. Schon gar nicht mit tadschikischem Akzent, wie es seine Moskauer Schauspielerkollegin Chulpan Khamatova im Original sprechen musste. Im Film ist die 25-Jährige seine Schwester, die ihn betüttelt. Womöglich hat sie ihn auch in den Drehpausen getröstet, wenn der Regen nicht aufhören wollte oder ein Sandsturm fegte, dort im kargen Dreiländereck zwischen Tadschikistan, Usbekistan und Kirgisien.

"Mit Chulpan zu filmen war eine Sternstunde", schwärmt Moritz Bleibtreu. Monatelang hatte die Crew in einem ehemaligen Sanatorium gewohnt, wo es, "brrr", schüttelt sich Chulpan, Skorpione und Frösche gegeben habe. Weil Moritz so ein guter Lehrer war, "der Beste", lächelt die gebürtige Tartarin, kann sie das alles auf Deutsch erzählen. Vergnügt plaudert sie über das Nationalgericht in der Region, das so lustig und undefinierbar schmeckt, wie es lautmalerisch heißt: Ploff.

Wie durch ein Wunder findet "Papa Luna" nach seinen verwirrenden Anfangssequenzen zu großer Poesie. Welch ein Märchen hat sich Drehbuchautor Irakli Kwirikadze da ausgedacht! In einer Mondnacht wird Mamlakat von einem Unbekannten geschwängert. Später wird sie sich lediglich an die Stimme erinnern. Wie aber soll das Leben weitergehen für eine 17-Jährige mit Kind im Bauch? Der Mann muss gefunden werden, poltert ihr Vater Safar alias Merab Ninidze, der beim Premierenabend leider fehlte. Safar, den man besser am Stuhl festbindet, bevor man ihm Unangenehmes beichtet, nimmt die Fahndung auf.

Die schillernde Farce beginnt. Da wird schon mal einer niedergeboxt, bevor man ihn, nun ja, ein Irrtum, höflich mit Salam aleikum begrüßt. Ist das so im wilden Mittelasien? "Ich habe da heimische Motive reinfantasiert", sagt der Georgier Kwirikadze. Und fügt hinzu: "So etwas fällt einem ein, wenn man an der Peripherie dieser Welt lebt." Wie man einen Film zustande bringen soll in dieser "Peripherie", mag sich Produzent Karl Baumgartner öfter gefragt haben. Friedlich ist es anderswo. Nachdem ein "lokaler Fürst" den kleinen Flughafen unweit von Samarkand okkupiert hatte, wurde die Filmcrew in Sicherheit gebracht. Als sich der "Störenfried" in die Berge zurückgezogen hatte, wollten die Filmleute zurück. "Glauben Sie nur nicht, ich hole Sie dort noch mal raus", habe die deutsche Konsulin in Taschkent geschimpft.

Irgendwann hatte Regisseur Bakhtiar Khudojnazarov den Film doch im Kasten. 1965 in Duschanbe (Tadschikistan) geboren, lernte er sein Handwerk an der Filmhochschule in Moskau. 1993 hatte er mit dem Streifen "Neues Spiel, neues Glück" den Silbernen Löwen in Venedig gewonnen, auf den Festivals von Tokio und Toronto heimste "Luna Papa" im vergangenen Jahr schon Lorbeeren ein. Da war einem Kritiker zu Moritz Bleibtreu der Satz eingefallen: "Ein bisschen wie Harpo Marx - nur mit einem limitierteren Wortschatz." Vor Ort hatte man ihn übrigens für einen Tadschiken gehalten. Im Film darf er am Ende zum rettenden Engel mutieren. Natürlich ist der Schluss kein bisschen Hollywoodlike, sondern bezaubernd schön. Eben so wie das Lächeln von Chulpan.

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