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Macbeth im Rohbau: Staatsoper Berlin wird wieder Aufführungsort - auf der Baustelle

Die Staatsoper hätte eigentlich längst fertig sein sollen. Nun beginnt der Spielbetrieb eben auf der Baustelle. Die Musiker wollten nicht länger warten. Anfang Mai beginnen die Baustellenführungen.

Jürgen, sagt Regula. Regula, sagt Jürgen. Man duzt sich. Not schweißt zusammen. Hier ist Staatsopernbaustelle, die mit den Kostensteigerungen, Terminverschiebungen und Insolvenzüberraschungen. Ach was, Not ... Kein Jammern, nirgends. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher ist „glücklich“ und „begeistert“, weil die Musik zurückkehrt in die Oper. Die Musiker der Staatskapelle hätten gedrängt, endlich wieder spielen zu dürfen in ihrer alten Heimstatt.

Dann sollen sie doch. Premiere für die Aufnahme des irregulären Baustellenspielbetriebs ist am 21. Juni. Mit Macbeth! Da ist so ein grober, unfertiger, aufgeschlitzter, nach frischem Beton riechender Bühnenraum genau richtig. Der alte Orchersterprobesaal im Intendanzgebäude hinter der Staatsoper wird der Ort des Dramas sein, allerdings wird nicht das Original von Shakespeare gespielt, sondern die gleichnamige Kammeroper des italienischen Komponisten Salvatore Sciarrino. Großartige Bühnenbildausschmückung brauche man da nicht, nuschelt Intendant Jürgen Flimm ins Publikum. „So schön wird der Raum nie wieder.“

Heldentenöre mit Bauhelmen?

Warum ist man nicht gleich darauf gekommen, die Staatsopernbaustelle systematisch zu verzögern, um die einzigartige Schaukulisse granitartiger Betonpfähle im späteren Kulissentunnel zu nutzen? Etwa für einen schönen Tannhäuser oder den Freischütz. Flimm würde gerne weitere Baustellenbereiche als temporäre Spielstätten nutzen, auch Open Air, aber die Bauleute sind von dieser Idee nicht wirklich angetan. Und müssen die Heldentenöre dann weiße Baustellenhelme tragen? „Nur die Kritiker“, scherzt Flimm.

Mindestens so spannend wie die Musik ist aber die Baustelle selbst, findet die Senatsbaudirektorin. Und deshalb werden im Mai Baustellenführungen beginnen. Am 6. Juli kommt dann der große Tag der offenen Tür. Spannend ist die Baustelle wirklich. Der neue Orchesterprobesaal mit Platz für 200 Musiker hat den Charme eines Getreidesilos, ein halliger Kubus aus glattem Beton. Der Saal steht im einzigen Neubau des Opernensembles, eingezwängt zwischen ehemaliger Intendanz und dem Kopfbau an der Französischen Straße.

Die Baustelle vor der nächsten Herausforderung: Bühnentechnik

Die alte Fassade wurde Stein für Stein abgenommen und wird später ebenso wieder aufgemauert. Am Ende wird es dann aussehen, als sei nur etwas frische Farbe aufgelegt worden. Das ist die große Sorge der Bauleute. Wenn alles fertig ist, ist nicht mehr zu sehen, wie schwierig und kompliziert die Bauarbeiten waren, die jetzt schon auf 300 Millionen Euro geschätzt werden.

Der große Bühnenturm wird nur noch von Gerüsten und Stahlstreben zusammengehalten, ein 40 Meter hoher Raum von den Ausmaßen einer Kathedrale. Später sieht der Operngast nur die Bühne und ahnt nicht, dass sich dahinter und darunter und daneben weitere Bühnen befinden. Für die Bühnenbilder der folgenden Akte. Opernhäuser sind maßlos. Das Größenverhältnis zwischen Zuschauersaal und Bühnentrakt beträgt rund 1:3.

Das wird die nächste große Herausforderung sein: Eine komplett neue Bühnentechnik in den alten Turm einzuhängen. Ansonsten sei man „aus dem Gröbsten raus“, sagt ein Bauleiter. Untenrum ist jetzt alles dicht, versichert Regula Lüscher. Das hat bisher die meisten Nerven gekostet. Eine drei Meter dicke Betonsohle schützt den Kulissentunnel, der neun Meter tief im Erdreich liegt, vor dem Grundwasser. Künftig können die Bühnenbilder durch den Tunnel von den Probebühnen ins Haupthaus geschoben werden. Auf trockenem Grund. Das war früher nicht immer möglich.

Die Titanenkämpfe der Ingenieure

Nach dem schwierigen Untergrund, der Baukosten in die Höhe trieb, kam im Februar die Insolvenz einer beteiligten Ingenieurfirma. „Eine Insolvenz ist ungefähr das Gefürchtetste, was man hat“, bekennt Lüscher. Ende Februar habe die Firma ihre Arbeit eingestellt. Man führe Verhandlungen, wie der Ausfall aufgefangen werden kann. Ergebnis offen. „Wir werden sehen, wie es weitergeht.“ Schon in der Einladung zum Pressetermin hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gewarnt: Fragen zu „Gesamtkosten und Eröffnungstermin“ könnten nicht beantwortet werden.

Regula Lüscher spricht von der „Wahrheit“, wenn sie über die Ungewissheiten ihrer Baustelle sinniert. Gleichzeitig wirkt sie inspiriert von den Titanenkämpfen der Ingenieure. Einer von ihnen, Name spielt keine Rolle, deutet an, dass die ersten Entwürfe der Architekten die Realität nur bedingt abzubilden vermochten. Einen Bühnenturm komplett zu entkernen macht mit dem Radiergummi keine große Mühe, aber in der Wirklichkeit brauchte es viele Ideen und Material, die plötzlich freistehenden Außenmauern im Lot zu halten.

Und hier ist der Service

Anfang Mai beginnen Baustellenführungen, jeweils an Sonn- und Feiertagen. Die Opernsaison startet am 21. Juni im ehemaligen Orchesterprobesaal hinter der Staatsoper.

Führungen über die Baustelle der Staatsoper: 1.,4.,11.,18.,25.,29. Mai.

Tickets: 15 Euro, erm. 10 Euro

Tag der offenen Tür am 6. Juli mit kostenlosen Führungen. Anmeldung ab 10. Juni. Näheres unter: www.staatsoper-berlin.de

Kammeroper Macbeth von Salvatore Sciarino, Regie: Jürgen Flimm:

Premiere: 21. Juni

Weitere Aufführungen: 25., 28.,30. Juni, 1. Juli. Tickets: 30 Euro, erm. 25 Euro.

Baustellenkonzerte mit der Staatskapelle Berlin. Gespielt werden Werke der Klassik, Romantik und Moderne:

22.,26.,29. Juni, Tickets: 15 Euro, erm. 10 Euro

In der nächsten Spielzeit sollen die Baustellenkonzerte fortgesetzt werden

Weitere Informationen zur Baustelle: www.berlin.de/staatsoperbaustelle.

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