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Machtkampf in der Kunstszene: Das Kartell der glorreichen Sieben

Berlin ist berühmt dafür, offen für jeden zu sein und Künstler aus aller Welt anzuziehen. Doch hinter den Kulissen ist der Friede gestört. Eine kleine Gruppe von Galerien will den Markt neu aufteilen – und verbreitet Angst

An einem späten Dienstagabend vor wenigen Wochen hat es zumindest für ein paar Stunden den Anschein, als stimme es noch, das Bild von der weltoffenen Kunstmetropole. Die Amerikanerin Emilie Trice feiert in einem alten Kreuzberger Speicher, in dem früher die Senatsreserven gehortet wurden, eine Abschiedsparty. Aber irgendwie ist das auch eine Kunstaktion. Trice lungert mit einem Bier in der Hand auf einem Sofa herum. An der Wand hinter ihr zeigen großformatige Fotos ihren blau geprügelten Körper, aufgenommen nach einem Überfall in ihrer Wohnung. Als sie Mitte der nuller Jahre angelockt vom Boomtown-Fieber nach Berlin kam, hat sie sich ihre Zukunft anders vorgestellt.

In den vergangenen fünf Jahren hat Trice für drei namhafte internationale Galerien gearbeitet, aber sie machten nacheinander alle dicht, jetzt hat sie selbst genug und will in die USA zurück. Aber nicht, ohne ein Zeichen zu setzen. Trice hat "sich selbst kuratiert", so nennt sie das, wertlos gewordene Visitenkarten aus ihrer Atelierkarriere zu einem Mosaik zu verkleben und den Email-Verkehr mit Freunden öffentlich auszustellen. Unter den Objekten findet sich auch ein "Manifest" von ihr. "In Berlin funktioniert der Kapitalismus nicht", heißt es darin. Die Menschen hätten zwei Jahrzehnte nach der Wende andere Wünsche im Kopf als die, die vom Kapitalismus gestillt werden könnten. Wer es trotzdem mit kapitalistischen Methoden versuche, "der zerstört sich nur selbst - es sei denn er kommt aus einem reichen Elternhaus oder hat politische Beziehungen".

Vielleicht muss man von Außen auf Berlin blicken, um zu erkennen, woran die Kunstszene leidet. Aber die Aufforderung von Trice’ Manifest, sich zu verbünden, sie wird längst praktiziert. Viele sagen derzeit: Es gibt in Berlin ein Kunstkartell.

Jemand, der darum weiß, nimmt einen Zettel, zückt einen Stift, und schon malt er Linien und Kreise, eine Art Diagramm auf das Papier. Namen schreibt er auf, verbindet sie mit Pfeilen. Nur gut ein Dutzend Namen sind für das, was er darstellen will, nötig. Als die alle auf dem Zettel stehen, zerreißt er ihn in viele kleine Schnipsel und steckt sie in die Hosentasche.

Sein Name fehlte auf dem Zettel. Er glaubt, dass das Absicht ist, die Absicht der auf dem Zettel Stehenden, dass die ihn draußen halten wollen. Dass sie ihm sogar schaden könnten. Sein Misstrauen geht so weit, dass er seine Hosentasche für den einzigen sicheren Ort dieser Welt hält.

Ein Insider spricht. Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Der Mann ist Galerist in Berlin und weil das ein kultivierter, diskreter Beruf ist, und mehr noch, weil, es sich um einen schweren Vorwurf handelt, soll sein Name nicht in der Zeitung stehen.

Er sagt, das Kartell organisiert die wichtigsten Kunstereignisse Berlins, das Gallery Weekend im Frühjahr und die Art Berlin Contemporary (ABC), die vergangene Woche den Kunstherbst eröffnet hat. Außerdem hat es die Kontrolle über den weltweit wichtigsten Marktplatz für aktuelle Kunst, die Art Basel, gewonnen und steht kurz davor, auch in Asien mitzumischen. Die Gruppe habe so viel Macht gewonnen, dass sie bestimmen könne, wer in Berlin außer ihr eine Rolle spiele und wer nicht.

Der Beweis für diese These ist das Beziehungsgeflecht, das zu Schnipseln zerrissen in seiner Hosentasche vergraben ist. Es erzählt von Gewinnern und Verlieren.

Die Gewinner, das sind die Galerien Neugerriemschneider, Neu, Schipper, Klosterfelde, Meyer Riegger, Kamm und neuerdings Zak-Branicka – die Gesellschafter der A-Z GbR, von der Gallery Weekend und ABC veranstaltet werden. Aber es gehören noch andere Galeristen zu diesem Beziehungscluster, das wie eine Wolke über dem Kunstmarkt schwebt.

Auf der Suche nach den Gründen für eine solche Entwicklung bieten sich eine Reihe von Thesen an. Der Kunstmarkt stecke in einer Flaute fest, ist eine solche These. Das Geld, das seit Ende der 90er Jahre reichlich floss, sitzt nach der Finanzkrise 2007 nicht mehr so locker. Der Konkurrenzkampf wird härter. Eine andere These macht das Auseinanderklaffen des Kunstmarktes in einige wenige international vernetzte Topgalerien und die breite Masse für die Nervosität verantwortlich. Die oben bestimmen, wer nachrücken darf.

Aber es gibt auch die These, dass die Kunst selbst für all das verantwortlich ist. Seit die Minimal Art abgedankt hat, gab es keine dominante Kunstrichtung mehr. Was gute Kunst ist, das weiß niemand mehr so genau. Die Vielfalt ist zur Willkür geworden. In dieser Situation wird Marketing zu einer Schlüsseltechnik und das Netzwerk zum Mittel der Sichtbarkeit.

Das alles klingt plausibel. Aber reicht der Einfluss einer verschworenen Galeristenclique so weit, andere Galerien nicht zum Zuge kommen zu lassen?

Um zu verstehen, warum sich der Ton unter Berliner Galeristen in letzter Zeit so sehr verschärft hat, dass manche Zuflucht in Verschwörungstheorien suchen, führt der Weg in diesen Tagen zu vorsichtigen Menschen. Treffen sind möglich, aber sie werden an Bedingungen geknüpft. Nichts soll nach Außen dringen. Eine Galeristin möchte das vorher schriftlich zugesichert bekommen. Ein anderer dankt nach einem Treffen in einer Mail „für das gestrige Gespräch und Ihre Bereitschaft, sich auf dieses nicht zu beziehen“. Man hört Sätze wie: „Ich muss jetzt sehr aufpassen, man hat mir einen Maulkorb verhängt." Worte wie „Existenzangst“ und „Maulkorb“ fallen. „Es ist schlimmer als Sie denken“, warnt ein Insider am Telefon, es könne wirtschaftlich sein Ende sein, sich in dieser Sache zu äußern.

Obwohl es schwer ist, dem Kartell nachzuweisen, dass es ein Kartell sein will, Furcht genug, um ein Kartell zu sein, verbreitet es schon mal.

„Es gab lange nichts zu verteilen in Berlin“, sagt Gerd Harry Lybke. „Jetzt gibt es das. Und schon werden die charakterlichen Eigenschaften der Leute sichtbar.“

Lybke ist einer, der zu spüren bekommen hat, was es heißt, von den Fleischtöpfen abgeschnitten zu werden. Mit seiner Galerie Eigen & Art war er es, der Mitte in den 90er Jahren zum Hot Spot der Kunst gemacht hat. Stets war er bei der Kunstmesse in Basel präsent. Aber in diesem Jahr durfte er nicht mehr. Die sechsköpfige Auswahljury, in der mit Tim Neuger, Claes Nordenhake und Jochen Meyer drei Berliner Galeristenkollegen saßen, schloss ihn und zwei weitere Berliner Galerien vom heiligen Gral des Kunstmarktes aus. Der Fall ging durch die Medien. Von einer Abstrafung war die Rede. Lybke hatte die Mittel, sich zu wehren, seine Künstler boykottierten die Messe. Heute sagt er, dass manche Menschen „eben nicht anders können, als andere wegzustoßen, und sie suchen sich dann einen Rahmen dafür“. In Berlin kannte man das bisher nicht.

Kunst und Galerien sind eine der größten Berliner Attraktionen, der Glaube an eine freie Szene wirkt magnetisch. Nirgendwo ist man der Kunst so nah wie hier, wo viele renommierte Künstler ihre Ateliers unterhalten. Es ist der Nimbus der Stadt, ein Laboratorium der jungen Kunst zu sein. Und es sind die über 400 privaten Galerien und Projekträume, nicht die Museen, die diesen Status erhalten. Das hatte stets auch den Charme des Chaotischen, Wilden, Unübersichtlichen. Doch scheint sich das zu ändern, und Ben Kuckei weiß noch genau, wann es angefangen hat, sich zu ändern.

Er ist einer der Wenigen, der öffentlich Stellung bezieht gegen eine Aufteilung des Kunstmarktes in eine Riege der Besten und den Rest. „Die Probleme beginnen“, sagt er, „wo offensiv gegen andere Marktteilnehmer vorgegangen wird. Das hat nichts mit verdientem Erfolg zu tun.“

Wie alles begann: Erste Warnzeichen gab es schon 2009. Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite.

Kuckei kann sich an eine Begegnung mit Tim Neuger erinnern. Sie liefen sich an einer Straßenkreuzung in Mitte zufällig über den Weg, das war vor etwa drei Jahren. Die Galeristen, beide Mitte 40, haben etwa zur selben Zeit in den frühen 90er Jahren angefangen, die Galerien Kuckei + Kuckei und Neugerriemschneider trennen nur ein paar Meter. Neuger habe das Gefühl gehabt, erzählt Ben Kuckei, dass der starke Zuzug von Galerien nach Berlin zu der Zeit die alte Solidarität kaputt machen würde. „Jetzt wird es wie in New York“, war der Satz, den er im Gedächtnis behalten hat.

Anfang 2009 bekam er eine Ahnung davon, wie das gemeint war. Da wurde Kuckei + Kuckei plötzlich von der Liste der vermeintlich besten Berliner Galerien, einem Leporello namens „Index“, gestrichen. Seit das Faltblatt 1998 eingeführt worden war, hatten die Kuckei-Brüder es unterstützt. Über die Aufnahme neuer Galerien wurde „halb demokratisch, halb automatisch“ entschieden, so Kuckei. Wer schon dabei war, stimmte darüber ab, wer dazukommen durfte. Aber dann wurde eine Jury eingesetzt. Ihre erste Tat: Die Aufteilung in bessere und schlechtere Galerien, in solche, die den Juroren interessant erschienen, weil sie dasselbe wollten wie sie selbst. „Es war klar“, sagt Ben Kuckei, „dass ein Organ benutzt wird, um private Interessen durchzusetzen.“

Das hätte ein Alarmsignal sein können. Nacheinander wurde eine Reihe von Galerien von dieser Stadtkarte der Kunst gestrichen, ohne dass die Kriterien je offen gelegt worden wären. Heute ist die Funktion des „Index“ die, das uferlose Berliner Angebot vorzusortieren. Wer es durch diese Schleuse schafft, der empfiehlt sich für Lukrativeres. Keine Galerie, die in der September-Ausgabe des „Index“ nicht auftaucht, ist auf der ABC vertreten.

Alexander Schröder, Mitbetreiber der Galerie Neu, saß in der „Index“-Jury. Er hat als Galerist über Galeristenkollegen geurteilt – und prinzipiell kein Problem damit. Die anderen seien heilfroh gewesen, dass jemand diese „undankbare Tätigkeit“ übernehme, sagt er. Trotzdem wurde es ihm schnell zu viel. Als ABC-Gesellschafter gilt er nun als Strippenzieher, der Jurys gar nicht mehr nötig hat.

Wenige Minuten vor Eröffnung der ABC steht er vorige Woche im hinteren Teil der Ausstellungshalle und hält einen Hocker in der Hand. Es ist ein kleiner Hocker aus Holz. Er gehört eigentlich gar nicht hierher, aber in der weitläufigen Halle fehlt es an Sitzgelegenheiten. Und Schröder amüsiert sich, dass jeder glaube, er sei für alles verantwortlich. Es scheint ein Grundproblem von ihm zu sein.

Das strenge ABC-Konzept sieht nur eine graue Box vor. Keine Stühle, Tische, Sitzwürfel oder Sofagarnituren. Auf der Box ist Platz für ein Laptop, einen Aktenordner, ein paar Broschüren und zwei Galeristen, wenn sie eng zusammenrücken. Und das müssen sie. Es gibt nicht ausreichend viele dieser Kästen. Schröder will den Holzhocker zu einer besonders geplagten Kollegin bringen.

Aber er wird aufgehalten. Es ist die Stunde der VIPs, die ersten Sammler strömen herein. Schröder, in Jeans und blauem Jackett, zusätzlich einen Pullover über die Schulter geworfen, strahlt einen Mann an, der einen Kopf kleiner, aber deutlich sportlicher ist als er. „Das freut mich, dass du kommst“, sagt Schröder. Der andere: „Aber das ist doch klar“. Dann drehen sich beide Richtung Halle, schauen in den Raum. Der scheint ihnen in diesem Augenblick etwas zuzuflüstern. Und der Sportler sagt: „Ist doch gut so, viel besser als zuvor, viel mehr Messe.“

Lesen Sie mehr über das Ende des Art Forum. Weiter auf der nächsten Seite.

Er hört sich in diesem Augenblick erleichtert an. Und wahrscheinlich ist Christian Göke, Chef der Berliner Messe AG, das auch. Er hatte sich nicht eingelassen auf die Bedingungen für eine Fusion von ABC und Art Forum, die Schröder und seine Mitstreiter ihm diktieren wollten. Lieber hat er das Art Forum aufgegeben und damit einen Krach riskiert. Auf einen Schlag war eine Kunstmesse tot, die den Höhepunkt der Berliner Kunstsaison gebildet und zuletzt 40 000 Besucher in die Hallen unterm Funkturm gelockt hatte. Nur Topgaleristen wie Schröder gefiel das Art Forum nie. In den engen Ausstellerkojen verkümmerten ihre künstlerischen Positionen, fanden sie. Die wichtigen, kundigen Sammler blieben fern. Und auch immer weniger internationale Galerienzugpferde sagten ihr Kommen zu. Göke geriet in die Defensive. Er ließ ein Messekonzept ausarbeiten („Invitational“), das wesentliche Forderungen der Skeptiker unter den Topgaleristen aufgriff, sogar den Standort erwog man dafür aufzugeben. Aber die wollten mehr. Es lief auf eine Entmachtung der Messeleitung hinaus. Da machte Göke nicht mehr mit.

Nun steht er in den Kulissen von Schröders Welt und lächelt die Differenzen sportlich weg. In Gökes Welt gibt es jetzt ein Geschäftsfeld weniger, das ihm die Bilanz trüben kann. Ja, ist wirklich alles gut so, sagt Göke noch einmal, als er sich zum Gehen wendet. Man sollte möglichst bald mal zusammen essen gehen.

Schröder weiß, dass da jetzt etwas Komisches passiert ist. Eben erst hat ABC-Mitgesellschafter Tim Neuger auf der Pressekonferenz eine Frage nach dem Art Forum so barsch zurückgewiesen, dass es Leute im Raum gab, die ihn Erich nennen wollten. Nach Erich Honecker. Der hatte ebenfalls Fragen als falsche Fragen beschimpft, wenn sie gegen sein Dogma verstießen. Schröder würde den Eklat niemals suchen.

Viele halten ihn für einen Snob. Mit seiner hohen Stirn, den langen Haaren und dem Vollbart sieht er eher wie ein Hippie aus. Eigentlich kennen er und Göke sich gar nicht so gut, der andere habe ihm mal das Du angeboten, das habe er angenommen, mehr aus Verlegenheit, sagt er. Und der Krach? Das Ende des Art Forums? Göke habe einfach „die bessere Geschichte zu erzählen, indem er uns die Schuld am Scheitern gibt“, sagt Schröder.

Zur ABC - ebenso wie zum Gallery Weekend - müssen Galerien und Künstler eingeladen werden. Ein Statut gibt es nicht. Man kann sich nicht bewerben, nicht einklagen. „Wir wollen das nicht verbehördlichen“, sagt Schröder. Eine beliebte Masche von ihm ist, von „befreundeten Galerien“ zu reden. Das sind zum Beispiel solche, mit denen die Berliner sich irgendwo anders auf der Welt einen Künstler teilen. Sehr praktisch, sie dazuzubitten. So ist auf der ABC eine Arbeit von dem Star Olafur Eliasson zu sehen, während dessen Hausgalerie Neugerriemschneider Elisabeth Peyton zeigt. Schröder sagt: „Nur, weil wir nicht alle mit ins Boot nehmen, sondern nur die, die wir respektieren und die für uns gekämpft haben, ist es nicht mein Ziel, andere rauszuwerfen.“ Aber es ist Ihr Ziel, die besseren Leute dabei zu haben? „Klar“.

Da greift eine Malerin Schröders Arm, umtänzelt für eine innige Umarmung den Hocker, den er noch nicht hat abliefern können. Auf der ABC ist die Malerin nicht vertreten. „Warum eigentlich nicht?“, fragt sie und lacht. Es klingt nicht so, als erwarte sie eine ehrliche Antwort, aber übergehen kann Schröder die Frage auch nicht – er lacht mit. Ihre Galerie habe das nicht gewollt, sagt er dann und funkelt sein Gegenüber an. Es ist ein bitterer Moment für die Künstlerin. Die Fäden sind irgendwo im Hintergrund gesponnen worden. Und so wie Schröder und die Malerin sich in diesem Augenblick gegenüberstehen, will lieber keiner von beiden etwas damit zu tun haben.

Ein paar Tage zuvor hatte Alexander Schröder die Aufbauarbeiten in der Gleishalle begutachtet. Er hatte den Kopf schief gelegt, den Mund gespitzt, als würde er ein Bonbon lutschen, und gesagt: „Schööön“. Er meinte die Halle und das, was in ihr gerade Gestalt annahm. Handwerker trieben letzte Schrauben in ein verschachteltes System aus Außen- und Innenwänden. Es zog sich wie ein begehbarer, weiß gestrichener Bandwurm durch die gebogene Bahnhofsarchitektur.

Schröder ist ein Räumefinder. Immer wieder hat er Ausstellungen an ungewöhnlichen Orten initiiert. In einem alten Supermarkt, einer leeren Altbauwohnung. „Selber machen“, ist seine Lieblingsformulierung; bloß nicht auf andere verlassen, schon gar nicht auf die Kulturpolitik.

Der Trick hier, im historischen Ambiente einer Güterbahnhofshalle, besteht darin, Kunst, die gekauft werden soll, aussehen zu lassen wie in einem Museum. Und Schröders spezieller Trick ist, in einer Ausstellung über Malerei ein Garagentor zu zeigen. Ironie des Objekts: Die Außenseite ist zur Wand gedreht. Man sieht die Federn, Schrauben und das Gestänge. Aufklappen lässt sich das Metalltor nicht.

Vielleicht war Berlin seine Rettung. In seiner Heimat Hamburg nämlich, so hört es sich an, war er ein Freak, „nicht zum Aushalten“, fand er es da. Er flüchtete in die Kunst. Studierte. Sah ein, dass er ein mittelmäßiger Künstler bleiben würde. Wurde Galerist, sammelte selbst. Er konnte es sich leisten. Schon sein Vater, ein vermögender Architekt, hatte diese Sammelleidenschaft. Aber das genügte dem Sohn nicht. Was gute Kunst sei, das wolle man zuerst in der eigenen Galerie vorführen, sagt Schröder und setzt zu einem Satz an, der ein Credo sein könnte: „Und dann versucht man, das irgendwie weiter so zu halten.“

Jemand, der ihn gut kennt, sagt, dass man sich von seiner ruhigen Art nicht täuschen lasse sollte. „Der Alex hat viel Ehrgeiz.“ Aber warum braucht Schröder eine Gruppe, um seine Ziele zu erreichen?

In der A-Z GbR sind etwa ein Dutzend Galeristen organisiert, die von außerhalb nach Berlin kamen, vornehmlich aus Köln und Hamburg. Sie fanden, wenn man etwas bewirken wollte hier, „musste man aggressiver an die Öffentlichkeit gehen“, wie es einer aus dem Kreis ausdrückt. „Radikal“ wollen sie sein, und eine „gewisse Härte“ in die Auseinandersetzung mit künstlerischen Positionen tragen. In dem Werbefachmann Christian Boros, der Berlins größter Sammler ist und zu seinen Kunden viele Museen zählt, fanden sie einen Partner, der ihre Kompromisslosigkeit optisch umsetzte. Weiße Fläche und ein paar Namen - Boros’ Grafiksprache wendet sich an Leute, die sich auskennen müssen. So wie er das tut.

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Als Firmenadresse der A-Z GbR wird der Sitz der Anwaltskanzlei Heller & Partner genannt. Die ist auf Kunstrecht spezialisiert, man sieht sich als „Rundumbetreuer“. Hier werden die Gästelisten und VIP-Einladungen verwaltet, Verträge aufgesetzt, Mahnungen geschrieben, mit Versicherungen und Zoll-Behörden gesprochen, aber auch "der Meinungsbildungsprozess untereinander gefördert", wie Martin Heller erklärt. Auffallend häufig sagt er am Telefon „wir“, wenn er von seinen Mandanten spricht.

Die Stadt war nicht vorbereitet auf sie, auf ihre Parties, mit denen sie Vernissagen zu exklusiven gesellschaftlichen Ereignissen machten. Aufgaben werden im inneren Kreis periodisch übernommen, untereinander getauscht und ältere Mitglieder wie Max Hetzler und Claes Nordenhake durch jüngere ersetzt. Heute sitzen fast alle A-Z-Gesellschafter in Messegremien. Wer an die Budgets der großen Sammler kommen will, die von jeher einen Bogen um Berlin gemacht haben, muss in der Stadt zum Kanon gehören.

„Irgendwann muss man einen Weg finden, der hineinführt“. Der das sagt, hat vor einem Jahr seine eigene Galerie in der Potsdamer Straße aufgemacht. Die Finanzkrise war das Startsignal für ihn. In schwierigen Zeiten müsse man diesen Schritt wagen, sagt Florent Tosin, denn schwierige Zeiten sind die richtigen für schwierige Kunst. An ihn die Frage, was aus dem wilden, chaotischen Berlin geworden ist. Wie abhängig ein Neueinsteiger davon ist, gelitten zu sein?

„Ein sensibles Thema“, sagt er und holt tief Luft. Es ist das Luftholen eines Mannes, der sich wappnet. Dann greift er ein Schlüsselbund vom Tisch und zieht die Schnürsenkel an seinen blauen Schuhen fest. Der Künstlerin, die an demselben Tisch über einem Laptop brütet und deren Videoarbeit nebenan auf etliche Leinwände projiziert wird, sagt er, dass er jetzt was Essen gehe.

Bevor Tosin sich im vergangenen Oktober in einem Hinterhof an der Potsdamer Straße selbstständig machte, war er Assistent in einem großen Haus gewesen. Zur Vernissage am folgenden Tag erwartet er dennoch keinen der Sammler, die zur ABC-Eröffnung eingeflogen sind und die er früher zuweilen auf ihren Berlin-Touren begleitete. „Was es braucht, ist eine gewisse Mondänität. Aber ich kann das nicht finanzieren.“

Zwei Jahre. So viel Zeit hat sich der Südfranzose gegeben, um sich zu etablieren. Tosins Startkapital betrug lediglich 25 000 Euro, die hatte er sich zurückgelegt. Er muss Miete, Materialkosten aufbringen, Briefe und DVDs verschicken. Jetzt kommen noch Mietkosten für vier Videobeamer dazu. Und falls er zu einer Messe wie der ABC eingeladen würde, kämen noch 3500 Euro Teilnahmegebühr obenauf „Es ist ein absolut schrecklicher Job“, sagt er und fährt sich durch den Lockenschopf, „wir geben immerzu nur Geld aus.“

Seine Geschäftsphilosophie vergleicht er mit dem „perfekten Pass“ im Fußball. Er trete einen Ball, und der müsse genau bei der Person landen, die etwas mit ihm anfangen könne. Und um zu demonstrieren, was er meint, zückt auch Tosin einen Stift und malt Kreise und Kästchen auf die Restaurantserviette, zum Schluss einen Pfeil, und er sagt: „Dann muss man Glück haben.“

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