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Nicht nur für Christoph Meyer war das Wahlergebnis der Berliner FDP ein herber Rückschlag. In seiner Partei fordern manche seinen Rücktritt.

© dpa

Machtkampf unter Kellerkindern: Berliner FDP am Boden

Das Ergebnis war ein Desaster – FDP-Chef Christoph Meyer will weitermachen. Die Berliner FDP verordnet sich einen Maulkorb. Doch manche halten sich nicht daran und fordern einen personellen Neuanfang.

Die erste Prognose ist noch gut zwölf Minuten entfernt, als Sebastian Czaja gegen 17.48 Uhr in seinem Abgeordnetenhausbüro Nummer 464 zufrieden die Beine übereinanderschlägt und ein wichtiges Gesicht aufsetzt. Ein Stockwerk tiefer hatten seine liberalen Parteifreunde sich schon über das Buffet hergemacht, Weinflaschen geöffnet und Bierkästen geordert. Zum Trost. Denn zu diesem Zeitpunkt ist schon klar, dass die FDP ein desaströses Ergebnis einfahren wird. Zu diesem Zeitpunkt hatte zudem der Landesvorstand eine Sprachregelung beschlossen: Es werde keine Rücktrittsforderungen geben, man wolle Fehler analysieren und geschlossen weiterarbeiten.

So weit die Lage, als Czaja, 28 Jahre, aus dem Bezirksverband Marzahn-Hellersdorf, den Satz spricht: „Das einzige richtige Signal kann jetzt nur der Rücktritt des Vorsitzenden Christoph Meyer sein, der als Spitzenkandidat nicht funktioniert hat.“ Auf die Frage, ob er, Czaja, nun selbst der neue starke Mann werden wolle, antwortet er, im feinen grauen Anzug und mit sorgfältig gegelter Frisur, nicht. Als die erste Hochrechnung im FDP-Sitzungssaal zu sehen ist, eilt Czaja aus dem Abgeordnetenhaus und überlässt das Erklären den Kollegen. Doch die wenigen, die da sind, schweigen konsterniert, weil das Ergebnis so weit unter den Erwartungen liegt, dass viele meinen, „wir haben keine Erklärung“. Bisher war das historisch schlechteste Ergebnis 2,2 Prozent 1999. „Aber damals wussten wir, dass wir schlecht waren“, sagt einer, der dabei war und findet: „So schlecht waren wir diesmal nicht.“ Ratlosigkeit auch bei anderen. Einer meint, der Gegenwind aus der Bundespartei sei zu stark gewesen, ein anderer glaubt, man habe „Europa zu spät gespielt“.

In diese Richtungen werden sich auch die Erklärungsversuche von Christoph Meyer einpendeln. Kurz vor 18.30 Uhr muss er in der Bundeszentrale vor die Öffentlichkeit. Er ist gefasst, konzentriert, in sich gekehrt. Seine Botschaft lautet: Noch nie sei die Landespartei so geschlossen wie heute, „seit 20 Jahren nicht“. Er ruft: „Das lassen wir uns nicht kaputt machen.“ Im Raum splittert ein Glas, Meyer lässt sich nicht irritieren. Es folgt die beschlossene Sprachregelung: Er wolle jetzt Fehler analysieren, gemeinsam, dann werde man „geschlossen arbeiten“. Es ist auch ein Kampfsignal, dass er weitermachen wolle. Später im Abgeordnetenhaus sagt er zu Czajas Vorstoß: „In der Krise zeigt sich, auf wen man sich verlassen kann.“ Sein Schatzmeister, der Bundestagsabgeordnete Lars Lindemann, wird deutlicher: „Für Karrieristen ist kein Platz in der Partei.“

Am Abend fordern die Jungen Liberalen einen Sonderparteitag: „Niemand darf an seinem Posten kleben.“ Aus der Bundespartei heißt es, personelle Wechsel seien normal, wenn es so schiefgehe. Als Kandidaten werden der Bundestagsabgeordnete Martin Lindner oder Lindemann genannt. In der Partei vermuten viele, dass Lindner Czaja nur vorgeschickt habe. Aus dem Umfeld von Bildungsexpertin Mieke Senftleben ist zu hören: „Wenn Lindner antritt, kämpft sie gegen ihn.“ Auch Lindemann wäre bereit, gegen Lindner anzutreten, falls Meyer aufgeben würde. Im Frühjahr 2012 sind Gremienwahlen. „Bis dahin“, sagt ein Vertrauter Meyers, „muss er alle im Boot haben, um weiterzumachen.“

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