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Michael Müller will Vorsitzender der Berliner SPD bleiben - doch es gibt Widerstand

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Machtkampf wird zur Schlammschlacht: Berliner SPD zerlegt sich – und hofft auf Wowereit

In der Berliner SPD tobt eine Machtkampf, der zu eskalieren droht. Und Klaus Wowereit schweigt. Dabei wäre eine Niederlage Müllers auch eine Niederlage für den Regierenden Bürgermeister.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wo ist Klaus Wowereit? In der Berliner SPD tobt ein Machtkampf – und der Streit um die künftige Ausrichtung der größten Regierungspartei, aber auch um innerparteiliche Mehrheiten, Ämter und Mandate droht zu eskalieren. Aber der Regierende Bürgermeister, der immerhin Vize-Chef der Bundes-SPD ist, schweigt. Obwohl viele Genossen gerne wüssten, ob Wowereit immer noch hinter dem SPD-Landeschef Michael Müller steht. Die nervöse Parteibasis wartet auf ein Machtwort.

Vorerst bleibt es jedoch bei inoffiziellen Signalen: Wenn Müller um den SPD-Landesvorsitz kämpfe und auf dem Wahlparteitag am 9. Juni trotz großer Widerstände in der eigenen Partei wieder kandidiere, dann habe er Wowereits volles Vertrauen. Das verlautet aus der Umgebung des Regierungschefs, der aber noch grübelt, wann und in welcher Form diese Botschaft öffentlich verbreitet werden sollte.

Offenbar tut er sich schwer damit, denn die Sache hat einen Haken. Sollte der Sprecher der SPD-Linken, Jan Stöß, tatsächlich gegen Müller antreten, wäre eine Niederlage des langjährigen Landeschefs und Stadtentwicklungssenators auch eine bittere Niederlage Wowereits. Trotzdem gehen wichtige Parteifunktionäre fest davon aus, dass der Regierende seinen engsten politischen Freund und Vertrauten nicht fallen lässt. „Das wäre nicht nur unfair, sondern auch untypisch für Wowereit“, heißt es.

Andererseits mehren sich die Stimmen, die nach einem friedlichen Ausweg aus der Misere suchen. Beispielsweise wird vorgeschlagen, dass der Regierende Bürgermeister vorläufig selbst den Vorsitz der Berliner SPD übernimmt. Es ist nicht das erste Mal, dass Wowereit das höchste Parteiamt in Berlin angetragen wird. Im Juni 2000 und vier Jahre später wehrte der SPD-Spitzenmann solche Avancen noch erfolgreich ab. Aber jetzt steht viel auf dem Spiel: Nicht nur das öffentliche Erscheinungsbild der Hauptstadt-SPD, die gemeinsam mit einer sehr stabilen, geschlossenen und zufriedenen CDU regiert, die 2016 die Berliner Wahlen gewinnen will. Sondern auch die Autorität des Berliner Regierungschefs – nach innen und außen.

Ließe sich Wowereit darauf ein, könnte er mit einer breiten Mehrheit auf dem SPD-Parteitag rechnen. Denn auch die innerparteilichen Gegner des umstrittenen Landesvorsitzenden Müller, die sich aus Teilen der Parteilinken und den rechten Strömungen rekrutieren, wollen nicht an der sozialdemokratischen Galionsfigur kratzen. Es gebe „null Kritik“ an Wowereit, wird versichert. Außerdem sind Ministerpräsidenten, die gleichzeitig ihre Landespartei führen, bundesweit ein sozialdemokratisches Standardmodell. Matthias Platzeck, Olaf Scholz, Erwin Sellering, Hannelore Kraft und Kurt Beck sind allesamt SPD-Landeschefs. Nur in Berlin und Bremen ist das anders.

"Willkommen in Absurdistan"

Eine andere Idee, die in der Berliner SPD bislang nur halbherzig diskutiert wird: Wenn der Kreuzberger Parteilinke gegen Müller ins Rennen gehen sollte, könnten sich beide einer Mitgliederbefragung stellen. So wie die Bremer Genossen, die 2010 auf vier Regionalkonferenzen die Parteibasis entscheiden ließen, wer SPD-Landeschef wird. Aber wenn Stöß seine Gegenkandidatur erst im Mai erklären sollte, dürfte es aus organisatorischen Gründen schwierig werden, noch ein Mitgliedervotum herbeizuführen.

Streit, Lügen, Gerüchte. Die Berliner SPD zerreibt sich in Machtkämpfen. Doch Klaus Wowereit scheint abgetaucht. Der Regierende Bürgermeister schweigt bislang beharrlich zu dem Machtkampf in seiner Partei.
Streit, Lügen, Gerüchte. Die Berliner SPD zerreibt sich in Machtkämpfen. Doch Klaus Wowereit scheint abgetaucht. Der Regierende Bürgermeister schweigt bislang beharrlich zu dem Machtkampf in seiner Partei.

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Vorerst geben sich die Kontrahenten in Berlin alle Mühe, die eigene Partei in ihre Bestandteile zu zerlegen. Der Machtkampf wird zur Schlammschlacht. Noch rätseln die Genossen, wer für die nächtlichen Attacken gegen Müllers Wohnhaus und den Einbruch in der Stadtentwicklungsbehörde verantwortlich sein könnte, da tauchen schon schmuddelige Gerüchte auf. Angebliche Bettgeschichten, die SPD-Funktionäre desavouieren sollen, machen die Runde. Völlig unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt. „Sex and Crime“ werde zur innerparteilichen Waffe, klagt ein altgedienter Genosse.

Auch Journalisten werden in Freund und Feind geschieden. So warf der Spandauer Anwalt Hans-Georg Lorenz, ehemals eine Führungsfigur der SPD-Linken, in einer breit gestreuten Mail einigen Medienvertretern der Stadt ein „stark lädiertes Demokratieverständnis“ vor. Das geht selbst ausgewiesenen Parteilinken über die Hutschnur. „Willkommen in Absurdistan“, kommentiert einer von ihnen. Und in der SPD-Abgeordnetenhausfraktion ist das Klima nach der Wahl des Fraktionschefs Raed Saleh so rau und chaotisch geworden, dass in einer der letzten Gremienrunden vorgeschlagen wurde, auf Fraktionssitzungen doch künftig ganz zu verzichten.

Einer misstraut dem anderen. Kaum ein Funktionär traut sich noch, mit seinem Namen für öffentliche Äußerungen geradezustehen. Ein SPD-Kreischef sagt ehrlich: „Mir geht es nur noch darum, für meinen Bezirksverband das Beste herauszuholen.“ Andere sagen, es sei doch egal, wie die SPD jetzt agiere. Ohne Wowereit käme die Partei 2016 sowieso nur noch auf höchstens 25 Prozent.

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