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Berlin: Machtwechsel in Berlin: Frei von jeder Selbstkritik. Vor der wahrscheinlichen Abwahl beginnt bereits der Wahlkampf: Eberhard Diepgen lobt sich und die Union

Eberhard Diepgen ist ganz Polit-Profi. Einen Tag vor seinem Sturz durch SPD, PDS und Grüne nutzt der Regierende Bürgermeister am Freitag die Chance, als Noch-Staatsmann erste Punkte für die CDU im Wahlkampf zu sammeln.

Eberhard Diepgen ist ganz Polit-Profi. Einen Tag vor seinem Sturz durch SPD, PDS und Grüne nutzt der Regierende Bürgermeister am Freitag die Chance, als Noch-Staatsmann erste Punkte für die CDU im Wahlkampf zu sammeln. Unterstützt von den vier CDU-Senatoren lobt Diepgen vor der gesamten deutschen Presse die Arbeit der Union. "Die Erfolge können gar nicht alle aufgezählt werden, denn das würde den ganzen Tag dauern", springt ihm Kultur-Senator Christoph Stölzl zur Seite und lacht, Galgenhumor.

Zum Thema Online Spezial: Machtwechsel in Berlin Anfang vom Ende: Die Finanzkrise in Berlin TED: Soll der Regierende Bürgermeister direkt gewählt werden? Kein Wort der Selbstkritik kommt über die Lippen Diepgens und seiner CDU-Senatoren. Befragt nach der Schuld der Union an der Finanz- und Regierungskrise, spricht Diepgen erstmals laut und energisch. "Eine Person und eine Partei kann dafür nicht allein verantwortlich gemacht werden. Das ist doch irrsinnig." Auch die SPD habe Verantwortung getragen. Das müsse "doch mal zur Kenntnis genommen werden", sagt er fast flehend. "Wenn die SPD nach 13 Jahren in der Regierung jetzt einen Kassensturz fordert, dann werden die Berliner hinters Licht geführt", erklärt er.

Sichtlich leidet Diepgen darunter, nach 1989 zum zweiten Mal von Rot-Grün beerbt zu werden, obwohl die CDU stärkste Partei in der Stadt ist. So bleibt ihm nur übrig, auf den untreuen Koalitionspartner SPD und die Grünen einzuprügeln. Die Zusammenarbeit der SPD mit der PDS bezeichnet der CDU-Politiker als Tabu-Bruch und Richtungsentscheidung der Berliner SPD, die politische Mitte preiszugeben. Eigenartig mutet es an, wenn Diepgen die PDS warnt, ihre Kooperation mit der SPD könnte den innerparteilichen "Prozess der Erneuerung" behindern. Die Wahrheit ist, der Berliner Union fehlt mit der nicht im Parlament vertretenen FDP ein strategischer Partner. Und für eine Kooperation mit den Grünen gibt es in Berlin derzeit keine Basis.

Auch kurz vor Toresschluss bleibt sich der detailverliebte Diepgen treu. Er zählt penibel auf, welche Aussagen er im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen vermisst. Dass der Übergangssenat nur bis zu Neuwahlen im Herbst agieren soll, lässt er nicht gelten. "Auch inhaltlich besitzt der rot-grüne Minderheitssenat keine Legitimation", betont Innensenator Eckart Werthebach. Und Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner schiebt hinterher: "Eigentlich müsste das Landesamt für das Mess- und Eichwesen die rot-grüne Mogelpackung untersuchen, schlecht verpackt und nichts drin." Finanzsenator Peter Kurth bleibt sachlich. Zu den Sparvorschlägen der Union gebe es kaum Alternativen, stellt er lakonisch fest.

Dann versucht sich Diepgen noch als Prophet. Er erinnert an das rot-grüne Bündnis 1989/90 und dessen schnelle Abwahl, "weil der Senat die Menschen schikaniert hat". Doch inzwischen mussten die Berliner auch unter Schwarz-Rot etliche Kröten schlucken. So bleibt der CDU wohl nur ein kleines Fünkchen Hoffnung, die rot-rot-grünen Regierungspläne nach den Neuwahlen im Herbst zu durchkreuzen. Einzig Kultursenator Christoph Stölzl fand am Freitag auch kritische Worte für seine Partei. Er warf der Union Versagen in der Koalitionskrise vor.

"Die Berliner CDU hat das Grundgesetz des Skandals nicht beachtet", sagte Stölzl. Auf den ehemaligen CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky gemünzt fügte er hinzu, wer politische Verantwortung trage und bei tief greifenden Problemen nicht sofort mit seinem Amt dazu stehe, der missachte politische Abläufe. Zugleich zollte Stölzl, der im Falle seiner Abwahl kein neues Amt übernehmen möchte, der SPD "aus sportlicher Sicht" Respekt, da sie nach der Macht gegriffen habe und "Lust auf Macht" zur Schau trage. Doch hätte er sich dieses Engagement von den Sozialdemokraten schon eher gewünscht. Unterm Strich zähle für ihn aber nur eins: "Die Große Koalition, so farblos sie auch gewesen sein möge, war ein gutes Unternehmen."

Holger Lunau

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