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Hitler Wachs

© dpa

Madame Tussauds: Hitler im Guckkasten

Seit dem Wochenende sitzt der Wachshitler wieder an seinem Schreibtisch. Mit neuem Kopf - und hinter Glas. Der reparierte Diktator löst bei den Besuchern im Wachsfigurenkabinett widersprüchliche Reaktionen aus.

Der junge Museumswärter spurtet aus seiner Ecke und hält dem Mann mit der Digitalkamera die Hand vor die Linse. "Sie dürfen Hitler nicht fotografieren!“ ruft er – und eine ältere Frau zwischen den vielen Neugierigen, die am Sonntag in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett Unter den Linden den Diktator anschauen, bestärkt ihn. "Das ist gut so“, sagt sie mit leiser Stimme. Dem Mann mit dem Fotoapparat ist die Szene peinlich, er geht schnell weiter zu Konrad Adenauer, Kennedy & Co., während sich die Nächsten vor drei quadratischen Scheiben drängeln, durch die man in einen nachgebauten Raum des einstigen Führerbunkers an der Reichskanzlei blicken kann. Seit dem Wochenende sitzt dort wieder die umstrittene und inzwischen reparierte Hitler-Figur am Schreibtisch. Mit neuem Kopf.

Als das Museum Anfang Juli eröffnet wurde, hatte einer der ersten Gäste, ein 41-Jähriger aus der Kreuzberger Punk-Szene, dem damals noch ungeschützten Diktator den Kopf abgerissen. Hitler ausgerechnet in Berlin auszustellen, fand er "geschmacklos“. Zuvor war um die Rückkehr Hitlers in Wachs in der Öffentlichkeit schon heftig debattiert worden. Und auch nach dem geglückten "Attentat“ bei Madame Tussauds gingen die Meinungen erneut stark auseinander, ob die Figur repariert werden oder im Fundus verschwinden sollte. "Legt den abgeschlagenen Kopf auf den Schreibtisch als Ausdruck, dass der Führer wirklich hinter uns liegt“, schlug eine Leserbriefschreiberin damals im Tagesspiegel vor.

"Zeugnis der Zeitgeschichte"

Doch im Wachsfigurenkabinett favorisierte man den intakten Hitler. Deshalb sitzt die hergerichtete Figur als "Zeugnis der Zeitgeschichte“ nun wieder in der Abteilung "Helden & Bösewichte“ schräg gegenüber von Karl Marx, Erich Honecker und Willy Brandt vor der großen, tiefbraunen Schreibtischplatte. Diesmal allerdings wie im Guckkasten inmitten einer nachgebauten Kulisse hinter den scheinbaren Betonwänden des Bunkers. Aus Respekt gegenüber den Millionen Toten des Zweiten Weltkrieges dürfe man ihn nicht berühren oder fotografieren, verkündet ein Schild. Zugleich bittet das Museum um Verständnis für eine Überwachungskamera über Hitlers Kopf. Sie zielt auf dessen Betrachter.

"Endlich haben sie ihn eingesperrt“, ruft ein Mann. Das hätte man schon 1933 tun sollen. "Hat er sich alles selbst eingebrockt“, flapst sein Nachbar. "Statt in den Bunker gehört er doch hinter Gitter.“ Nur wenige nehmen Hitler still und nachdenklich in Augenschein. Der stiert zum Boden, die schwarzen Haare hängen wirr in die Stirn, das Licht um ihn herum flackert hektisch wie kurz vor dem Weltuntergang, sein Schlips ist halb offen, als ringe er hier im Bunker um Luft, der Körper krümmt sich nach vorne wie bei einem, der all seine Verbrechen bedauert. So sieht ein geschlagener Mann aus – "geradezu um Mitleid heischend“, ärgert sich eine Touristin aus Bremen und fragt den Aufpasser im Eck’, warum man denn Hitler "um Himmels willen“ so dargestellt habe, "Den wollen wir doch nicht bedauern.“ Aber der Wachmann vom Museum darf sich dazu nicht äußern.

Dann spazieren die Betrachter weiter, und manche verharren vor einer anderen Wachsfigur lange und wortlos. Sophie Scholl, die 1942 von den Nazis ermordete Studentin, steht vor einer Schautafel zu ihrer Widerstandsgruppe "Weiße Rose“. Eine junge Frau mit braunen, lebenslustigen Augen. 

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