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Märzrevolution 1848: Barrikaden und Pulverdampf

Vor 160 Jahren kämpften junge Leute, Arbeiter und Studenten für die Veränderung. Ab heute erinnert das Geschichtsfestival „Historiale“ an die Märzrevolution.

Die Ereignisse, die uns ab heute vorgespielt werden, liegen 160 Jahre zurück. Was damals Deutschland verändern half, soll nicht vergessen sein. „An der Märzrevolution von 1848 waren viele junge Leute, Arbeiter wie Studenten, beteiligt, und heute wollen wir Jungen daran erinnern, welche Opfer es einst gekostet hat, in Deutschland jene Freiheiten zu genießen, die uns heute so selbstverständlich sind“, sagt Enno Lenze. Der Mann mit dem roten Wuschelhaar leitet das Projekt der „Historiale“, jene dritte Auflage eines Geschichtsfestivals, das diesmal die Revolution von 1848 thematisiert.

Lenze sitzt auf einem kippligen Schreibtischstuhl in einem Büro Unter den Linden, um sich weitere junge Geschichtsenthusiasten, Historiker, Medienkaufleute, Regisseure, Künstler. Im Zimmer liegen und stehen in ungeordneter Rangfolge Papiere, Gewehre, Computer, Pickelhauben, Fahnen. Und in der Ecke ein Sarg. „Davon haben wir noch viel mehr“, sagt der Projektleiter, „manche finden es vielleicht etwas makaber, über hundert Särge, mit schwarzem Tuch bedeckt, auf die Stufen des Deutschen Doms auf den Gendarmenmarkt zu stellen, aber wir finden diese Präsentation der Folgen einer Revolution sehr eindringlich. Wir möchten die tödliche Dimension dieser Ereignisse ins Bewusstsein unserer Stadt zurückholen, wenn auch nur für einen Moment. Das rechtfertigt den Aufwand.“ Eigentlich spielen sie nach, was Adolph Menzel am 22. März 1848 gemalt hat – die Aufbahrung der Märzgefallenen. Auf jedem Sarg wird ein Schild mit Namen, Alter und Beruf des bei den Barrikadenkämpfen für seine Überzeugung Gefallenen stehen.

Die symbolische Aufbahrung der 183 Särge (insgesamt starben im März 1848 etwa 300 Menschen) am kommenden Sonnabend beschließt das Geschichtsfestival. Start ist heute um 19 Uhr mit einer Rede vom Schirmherrn, Kulturstaatssekretär André Schmitz, und dem Historiale-Talk „Faustpfand der Freiheit“ im Roten Rathaus. Teilnehmer sind in historischer Staffage Königin Elisabeth, König Friedrich Wilhelm IV., Zofe Amalie Gräfin von Dönhoff, Tierarzt Urban, Polizeipräsident von Minutoli, auch Karl Marx kommt zu Wort. Und Schmitz lobt schon vorweg diese „mutige und innovative Art der Geschichtsvermittlung“ durch private und ehrenamtliche Initiativen im Verein Historiale, den der Chef der Berlin-Story-Buchhandlung, Wieland Giebel, ins Leben gerufen hatte. 2009 wird übrigens der Mauerfall das Thema sein.

Die Höhepunkte der diesjährigen Veranstaltungen bestimmen den 160. Jahrestag der Märzrevolution von 1848 am kommenden Dienstag. Traditionell versammeln sich Berliner ab 15 Uhr zur Feierstunde auf dem Platz des 18. März. Volker Schröder, der seit 30 Jahren mit seiner „ Aktion 18. März“ dafür plädiert, diesen Tag zum nationalen Gedenktag zu erklären, stellt die Veranstaltung unter das Motto „Für demokratische Tradition und revolutionären Geist“. Ab 17 Uhr werden auf dem Friedhof der Märzgefallenen Kränze niedergelegt, und von 18 Uhr 45 bis 21 Uhr erlebt der Alexanderplatz ein ungewohntes Spektakel. „Geschichtsdarsteller“ bauen eine Barrikade auf, sechs Meter breit und fast drei Meter hoch. Die Königsbarrikade war die einzige, die nicht vom Militär erobert wurde, hier befehligte der Tierarzt Ludwig Urban Studenten, Arbeiter und Bürger, deren gewaltsamer Protest sich gegen das Militär richtete. Es wird, wie damals, heftig (mit Platzpatronen) geschossen, sogar eine Kanone kommt zum Einsatz, mit Schwarzpulver am Rohr. Enno Lenze hat die modernen Feinde seines Spektakels schon im Visier: eventuell der Streik bei der BVG und schlechtes Wetter. „Aber Revolutionen finden eben nicht nur bei Sonnenschein statt.“

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