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Berlin: Mäzene Kleine

Kunstmäzenatentum in Berlin – das ist mehr als die weltbekannten Sammlungen Marx und Pietzsch oder die Flick Collection im Hamburger Bahnhof. Denn Kulturförderung durch Privatleute funktioniert auch im Kleinen. Viele Museen sind darauf sogar angewiesen. Wir stellen sieben Stifter und Leihgeber aus Berlin vor.

VILWANATHAN KRISHNAMURTHY

59 Jahre, sammelt Jahre in Neukölln.

Umfang seiner Sammlung: Größer als gedacht.

Schenkte dem Museum Neukölln einen Tempel.

Der Körper des Seiltänzers wirkt kompakt und kantig, deutlich haben sich die Hände des Künstlers in den Ton eingegraben. Seit 2001 ist das Keramikmuseum in Charlottenburg im Besitz dieser etwa einen Meter hohen Plastik von Martin Neubert, einem Thüringer Künstler und Professor an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein. Geschenkt hat sie der Rentner Klaus Habermann. Wie viel die Anschaffung gekostet hat? „Das weiß ich nicht mehr“, sagt Habermann. Eigentlich will er sagen: Ist doch egal. Und gibt zu: Für ihn und seine Frau wäre dieses Objekt nichts gewesen. Sie sammelten lieber Gebrauchskeramik. „Aber man muss doch Künstler unterstützen“, sagt der 75-Jährige. „Ich kann mich ja nicht beklagen, dass der Schuster oder der Fleischer bei mir um die Ecke zumacht, wenn ich nicht dort einkaufe.“ Nicht anders verhält es sich für ihn mit dem Keramikmuseum, das in einem denkmalgeschützten Charlottenburger Barockhaus untergebracht ist und sich bisher nur über einen Förderverein finanziert.

Vor etwa 40 Jahren saß Habermann einer Bekannten Modell, sie hatte einen Töpferkurs besucht und wollte einen Porträtkopf von ihm gestalten. Doch die Arbeit wurde nie vollendet, die Dame war zwischenzeitlich zu einer Reise nach Tibet aufgebrochen und nie zurückgekehrt, sie starb fernab der Heimat. Habermann fand, einer müsse das Werk fertiggestalten. „Also belegte ich selbst einen Kurs an der Volkshochschule.“ Er ließ den Kopf, seinen Kopf, brennen. Noch heute steht er auf einem Schrank in seiner Wohnung. Von da an töpferte Habermann immer wieder Vasen und Gefäße, fand Gefallen daran. Aber: „Man muss ja auch ehrlich sein, andere können das besser.“ So verlegten er und seine inzwischen verstorbene Frau sich aufs Sammeln.

Ihre Augen sind feucht. „Ich bin wie eine Mutter, die weiß, dass ihre Kinder in guten Händen sind“, sagt Monika Doemke. Abschiede tun aber auch weh. Nach jahrzehntelangem Gebrauch hat die 68-Jährige der Domäne Dahlem neben anderen Objekten eine Zuckerlade aus der Zeit zwischen 1790 und 1820 vermacht. In der unscheinbaren, einst handelsüblichen Holzkiste befindet sich eine Art Schneideschiene, auf die man den Zuckerhut legte und mit einem Messer Krümel abschabte. Durch Löcher im Boden fielen sie in eine Schublade.

Monika Doemke gibt mit ihrer Sammlung nicht nur ein Stück Alltagsgeschichte ab. Für sie ist es das halbe Leben. Seit den siebziger Jahren hat die inzwischen in Rente gegangene Journalistin ihre Freizeit damit verbracht, alles herzustellen, was ein Mensch zum Leben braucht. Ohne Strom. Sie hat Wein aus Löwenzahn oder Rhabarber gekeltert, Sahne in einem Fass zu Butter geschlagen, Wolle am Spinnrad gesponnen und mit einem heißen Eisen die Wäsche gebügelt. „Es war eine Besessenheit, alles auszuprobieren“, sagt sie heute. Woher die Zuckerlade stammt, weiß sie nicht mehr. Die meisten historischen Geräte fand sie bei ihrer Großmutter, auf dem Flohmarkt und bei Nachbarn in Schweden, wo sie mit ihrem Mann ein altes Bauernhaus mitten im Wald hergerichtet hatte. Dass sie nun den Entschluss gefasst hat, ihre Kollektion bäuerlichen Hausrats abzugeben, könne man nur verstehen, wenn man über sechzig sei, sagt sie. Monika Doemke will aufräumen. In Berlin lebt sie in einer Zwei-Zimmer-Wohnung.

Wie viele Techniken hatte sie ausprobiert, wie viel hat nicht geklappt oder erst nach mehreren Anläufen! Warum all diese Mühen, wenn es heutzutage auch bequemer geht? „In der Schule haben wir gelernt, dass man mit Steinen Feuer machen kann“, erinnert sich die Berlinerin. Das war wohl der Auslöser. Das faszinierte sie. Die Domäne Dahlem, als Museum für Agrarkultur und Ernährungsgeschichte, hat sich über die Zuckerlade sehr gefreut. Sie schließt eine Lücke in der Sammlung zur Geschichte des Zuckeranbaus. „Demnächst soll sie in eine Ausstellung integriert werden“, kündigt Sammlungsleiter Egbert Schimmerohn an.

RONNIE GOLZ

65, sammelt Zeugnisse der Familienvergangenheit. Umfang: Nicht bezifferbar, wächst stetig.

Schenkte dem Jüdischen Museum

mehrere geheime Briefe.

KLAUS HABERMANN

75, sammelte zeitgenössische Keramik.

Umfang: Groß. Die Wohnung ist voll.

Schenkte dem Keramikmuseum

eine Plastik des Künstlers Martin Neubert.

MONIKA DOEMKE

68, sammelte bäuerlichen Hausrat. Umfang: Der Inhalt von 60 Schubladen in ihrer Wohnung.

Schenkte dem Museum Domäne Dahlem eine Zuckerlade aus dem frühen 19. Jahrhundert.

So, mein Schatz, der Wettlauf mit dem Tod hat begonnen. Wer bleibt der Sieger?“, schreibt Marianne aus dem Gefängnis Pankratz in Prag an ihre Schwester Rosa in Wien. Heute hält Ronnie Golz den Brief in Händen. Der 65-Jährige hat ihn dem Jüdischen Museum geschenkt, dort läuft man mit der Zeit um die Wette, viele Holocaust-Zeitzeugen sind bereits verstorben. Golz hat den dankbaren Archivaren eine Geschichte geschenkt, die zum Filmstoff taugt. Marianne war die erste Frau seines jüdischen Vaters Hans Werner Golz. 1933 emigriert das Paar von Berlin nach Prag. Als Hitler dort einzumarschieren droht, trennt es sich. Vater Golz setzt nach England über, Marianne, nicht jüdisch, bleibt. Die ausgebildete Opernsängerin schließt sich einer Widerstandsgruppe an, die Juden mit gefälschten Dokumenten zur Flucht verhilft. Doch Marianne wird verraten, ihr wird der Prozess gemacht. Aus dem Todestrakt schickt sie nicht nur ihrer Schwester Nachrichten. Auch die Männerzelle erhält Kassiber, geheime Briefe, versteckt in Brot und Kartoffeln. Wer als Erster ihre Zeilen lese, schreibt sie, werde ihr Liebhaber. Bald kommt eine Antwort zurück. Marianne führt für eine kurze Zeit, am Ende ihres Lebens, eine platonische Liebes-Briefbeziehung. Ende 1943 wird sie hingerichtet.

Ronnie Golz hat von seinem Vater darüber nichts erfahren. Erst in den 80er Jahren macht er sich selbst auf die Suche, sammelt Informationen, bringt ein Buch über Mariannes Schicksal heraus, „Ich war glücklich bis zur letzten Stunde“ heißt es. Neuigkeiten hat der Berliner Künstler und Autor erst vor wenigen Wochen erhalten. Im tschechischen Nationalarchiv sind Kisten des Gefängnisfotografen aufgetaucht, der Mariannes Dokumente nach ihrem Tod bewahrt hatte. „Die Geschichte hört nicht auf“, sagt Ronnie Golz.

STEFAN BACHMANN

48, sammelt Spritzdekor.

Umfang: Hat allein 100 Tortenplatten im Lager.

Stattete einen Schrank im Werkbundarchiv –

Museum der Dinge mit Leihgaben aus.

Das Objekt ist 15 Zentimeter hoch, aus Holz und Gips, ein indisches Massenprodukt aus den siebziger Jahren. Der kunsthistorische Wert dieses hinduistischen Miniatur-Tempels mit der Gottheit Ganesha ist zu vernachlässigen. Doch darum geht es nicht. Vilwanathan Krishnamurthy hat dem Museum Neukölln das Privateste geschenkt, was er anbieten kann. 37 Jahre ist es her, dass Krishnamurthy aus Bangalore nach Berlin zog, um bei AEG als Schweißer anzufangen. Im Koffer war nicht viel Platz, ein paar Klamotten und Curry-Pulver hatte er dabei. Und den kleinen Tempel, den ihm seine Eltern vor der Abreise gekauft hatten. Ganesha, ein Mischwesen aus Mensch und Elefant, steht für Weisheit und Bildung und sollte den 23-Jährigen beschützen. Nach zwei Jahren würde der Sohn nach Indien zurückkehren, dachten sie. Dachte er. Doch dazu kam es nicht. Erst holte Krishnamurthy seine Frau nach Neukölln, dann wurden die beiden Söhne geboren, kamen in den Kindergarten, wurden eingeschult, machten Abitur. Inzwischen ist Krishnamurthy 59 Jahre alt, er lebt noch immer in derselben Wohnung wie damals. Er ist Mitglied im Migrationsbeirat und im Tamilischen Kulturzentrum, engagiert sich für den Bau des Hindu-Tempels in der Hasenheide und dolmetscht für Asylbewerber. „Neukölln ist meine Heimat“, sagt er. Er zögerte nicht lange, als er gefragt wurde, ob er seinen Tempel dem Regionalmuseum schenken würde. Die Miniatur ist nun ein Puzzlestein im Schaukasten der Dauerausstellung „99 x Neukölln“. Sie illustriert anhand von 99 Objekten die multiethnische Geschichte des Stadtteils. Krishnamurthy zeigt Besuchern, welche Reise sein Tempel gemacht hat. Seine Eltern sind inzwischen verstorben, aber sie haben noch mitbekommen, dass Ganesha nun im Museum steht. Die Nachricht hat ihnen gefallen. „Denn sein Schutz bleibt nun für die Ewigkeit erhalten.“

Imke Volkers wusste nicht, dass das Glück so nahe sitzt. Im Internet suchte die Kuratorin des Werkbundarchivs nach Keramik mit Spritzdekor, einer populären Design-Richtung aus Deutschland, 20er und 30er Jahre. Die ist in der Sammlung an der Kreuzberger Oranienstraße noch unterrepräsentiert. Volkers fand eine schlichte Kanne bei Ebay. Sie schrieb den Anbieter an und war über die Antwort überrascht: Ob er nicht gleich vorbeikommen solle, mit noch mehr Stücken? Stefan Bachmann wohnt direkt um die Ecke. In der Naunynstraße betreibt er einen Vintage- und Design-Laden. „Ich bin erblasst vor Neid“, sagt die Kuratorin. „Er hat wirklich alles.“ Und er erklärte sich bereit, eine ganze Vitrine mit Dauerleihgaben im Werkbundarchiv, das sich auch Museum der Dinge nennt, auszustatten. Tassen, Teller, Keksdosen – alle tragen die typischen geometrischen, sich überlappenden Formen. Sie erinnern an Kunstbewegungen der Zeit, an Bauhaus, Art Déco und Konstruktivismus. Mit Spritzpistole und Schablonen wurde das Dekor aufgesprüht. Die Nazis brandmarkten das Avantgarde-Design als kommunistisches Geschirr, viel wurde zerschlagen. Erst in den 80er Jahren, sagt Bachmann, habe man dem Spritzdekor wieder Beachtung geschenkt. Er selbst hat seine Sammlung mit einer runden Tortenplatte aus der Steingutfabrik Paetsch in Frankfurt an der Oder begonnen. „Ich habe sie 1980 auf dem Jahresflohmarkt in Wuppertal gefunden“, erinnert sich der 48-jährige. Die Klarheit des Musters, die Farben, das zarte Lila, das Grau, all das faszinierte ihn.

Die Preise für Spritzdekor variieren je nach Seltenheitswert. Eine Teedose in der Vitrine hat Bachmann einmal für 1500 Euro erstanden. Jeden Tag ist er im Internet auf der Suche nach neuen Stücken. Mindestens zehn Minuten müssen sein, sagt er. Manches Exemplar findet er auch im realen Leben. Auf einem Flohmarkt in Lissabon erstand er bei einer alten Dame eine Tasse. Ein seltener Fund: Einst war ein deutscher Keramiker nach Portugal ausgewandert und hatte das Handwerk dort weitergeführt, erzählt Bachmann. Und Imke Volkers fügt hinzu: „Wir sind auf Sammler angewiesen, die haben oft ein noch größeres Expertenwissen als wir.“

TILL KAPOSTY-BLISS

42, sammelt Fassaden-Schriftzüge.

Umfang: Nicht bemessen, wachsend.

Schenkte dem Buchstabenmuseum

viele Buchstaben und viel Zeit.

Sein erstes Geschenk war ein N, ein E, ein C, ein K, ein E, ein R, ein M, ein A, ein N und ein N. Till Kaposty-Bliss hatte vom Buchstabenmuseum in der Zeitung gelesen. „Ich bin dann dort hineinspaziert und wusste, das ist Seelenverwandtschaft“, erinnert sich der 42-jährige Grafiker. Da gab es in Berlin also noch andere begeisterte Leuchtreklamen-Sammler! Till Kaposty-Bliss freute sich so sehr über diese Entdeckung, dass er dem Schaudepot im Berliner Carré nicht nur den roten Neckermann-Schriftzug vermachte. Er engagiert sich seitdem auch ehrenamtlich und hilft den Museumsleiterinnen Anja Schulze und Barbara Dechant beim Abschrauben von Neonbuchstaben. Oder er düst nach Halle, um das auf einem Dachboden lagernde Firmenarchiv des ehemaligen VEB Neontechnik zu sichern. Und immer hält er die Augen offen, ob wieder ein alteingesessenes Geschäft schließt, von dem man wenigstens die Fassadenbeschriftung retten kann. Manchmal in letzter Minute und bei minus zehn Grad auf der Leiter. „Es geht darum, eine Ästhetik zu bewahren“, sagt Kaposty-Bliss. Die Schriftzüge wurden früher von künstlerisch ausgebildeten Handwerkern angefertigt. Heute kann sich jeder einen bedruckten Leuchtkasten vor den Laden schrauben, das ist billiger. Dem Sammler tut das weh. Er liebt Buchstaben, vor allem die geschwungenen aus den 50er Jahren. Und er liebt Neonröhren. Seit der Kindheit sammelt er. Seine größte Passion neben den leuchtenden Lettern sind alte Zeitschriften. 50 000 hat er inzwischen und dafür sogar eine eigene kleine Wohnung angemietet. Die Leuchtreklamen bewahrte er bisher in seinem Keller auf. „Ja“, sagt er, „der Schritt zum Wahnsinn ist nicht mehr weit.“ Aber: „Wenn man sammelt, darf man nicht immer über die Konsequenzen nachdenken.“

Den Leierkastenmann hörte man schon von Weitem, wenn er durch die Berliner Höfe zog, um ein bisschen Kleingeld zu verdienen. Wolfgang Hollmann und die anderen Jungen der Straße kamen dann angelaufen. Sie sammelten die Münzen vom Pflaster auf, die die Nachbarn in Papier gewickelt aus den Fenstern hinunterwarfen. Die Kinder packten sie aus. „Da wurde ich wohl infiziert“, resümiert Wolfgang Hollmann. Heute ist er 81 Jahre alt und hat im Laufe seines Lebens mehr als 40 Drehorgeln und andere mechanische Musikinstrumente, Spieldosen, Flötenuhren und Automaten gesammelt. Vor neun Jahren hat er sie der Stiftung Stadtmuseum geschenkt. „Das hat unsere bestehende Automatophonen-Sammlung wesentlich ergänzt“, freut sich Kuratorin Anne Franzkowiak. Hier ins Märkische Museum gehören Hollmanns Schätze auch hin. Leierkästen sind Teil der Stadtgeschichte. Bis zum Zweiten Weltkrieg war Berlin eines der Zentren des Drehorgelbaus, mit Importen nach Übersee.

Hollmann dreht zärtlich an der Kurbel seiner „Baci“. So nennen Kenner die Bacigalupo-Orgel, sie stammt aus der Werkstatt einer italienischen Handwerker-Dynastie, die sich seit 1879 in Berlin niedergelassen hatte und bis in die 1970er Jahre hier Instrumente fertigte. Hollmanns Stück ist ein Nachbau, aber auch sie wird noch mit einer Walze und kleinen Messingstiften betrieben. Später wurden Notenbänder mit eingestanzten Löchern eingesetzt, heute gibt es sogar Instrumente mit elektronischen Mikrochips. Die Baci ist Hollmanns erstes Stück der Sammlung, in den 80er Jahren kaufte er sie einer Leierkastenspielerin ab. „Die Stradivari unter den Orgeln“, schwärmt Hollmann und kurbelt weiter. Aus dem mit bunten Figürchen bemalten Korpus tönt in 26 Tonstufen die heiter-beschwingte Melodie von Mackie Messer. Aber nicht nur Gassenhauer wurden früher gespielt. Manche Orgeln aus der Sammlung spielen Verdis „Troubadour“ oder Carl Maria von Webers „Freischütz“. Es klingt, als sei ein ganzes Blasorchester am Werk, mit tiefen Tuben und quirligen Querflöten. „Die Berliner Orgeln waren alle laut“, sagt Hollmann. Sie sollten die Passanten anlocken und gegen den Lärm der Großstadt anspielen können.

Richtig Wumms hat auch ein schwarzer Kasten, dessen Kurbel Hollmann als Nächstes dreht. Goldene Lettern sind in die Front eingelassen: „Frati. Schönhauser Allee 73, Berlin“ steht dort geschrieben. Auch Frati war eine bekannte hiesige Firma. Über den Orgelpfeifen gruppieren sich zehn sogenannte Cornetten, kleine Blechtrompeten. Das Instrument war ein Exportartikel für die USA und ist noch im Originalzustand des Jahres 1895. Kurios ist die Liederauswahl, ganz nach den Wünschen der amerikanischen Auftraggeber ausgerichtet. Bis heute haben Hollmann und die Kuratorin Anne Franzkowiak die Ragtime-Melodien nicht identifizieren können.

Hollmann ist Ingenieur gewesen, hat viele Jahre als Manager gearbeitet, aber das Drehorgelspielen ließ ihn und seine Frau nicht los. Sie musizierten auf Stadtfesten und Liebhabertreffen. Außerdem sind sie Mitbegründer der Internationalen Drehorgelfreunde Berlin. Im US-amerikanischen Schwesterverein engagiert sich Hollmann ebenfalls.

Rund 500 000 Euro ist Hollmanns Sammlung wert. Er hätte sie auch zu Geld machen können, aber das wollte er nicht. Die Sammlung wäre dann zerrissen worden. Auch den Erben wollte er seine Schmuckstücke nicht überlassen. „Das geht dann in die Hände von Laien, die so lange kurbeln, bis alles kaputt ist“, fürchtet er. Dass die Orgeln einfach nur stumm herumstehen, möchte Hollmann indes auch nicht. „Instrumente leben, die müssen gespielt werden“, sagt er. Manchmal besucht er die Wochenendvorführungen im Märkischen Museum. Dann mischt er sich unter die Besucher und freut sich über deren Lächeln. Ein paar Leierkästen bewahrt er noch in seiner Wohnung, auch wenn sie streng genommen nur noch Leihgaben sind, denn der Rentner hat sie bereits dem Museum versprochen. Ab und zu spielt er sie noch. Und die Nachbarn? „Ach“, sagt er, „Nicht am Sonntag und Fenster geschlossen halten, dann geht das schon.“ Das Haus weiß ja von Hollmanns Liebe.

WOLFGANG HOLLMANN

81, spielte und sammelte mit seiner Frau Ingeborg mechanische Musikinstrumente wie Drehorgeln, Spieluhren und Figurenautomaten

aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Umfang: 43 Objekte. Schenkte sie der Stiftung Stadtmuseum Berlin.

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