zum Hauptinhalt

Berlin: Magische Momente

Die Berliner Märchentage haben so viel Zulauf wie nie. Bis Sonntag dreht sich alles um Mythen und Fabelwesen

Das Licht wird schummrig. Sanfte Harfenmusik erklingt, als die Schatten ihren Tanz beginnen. Sie erzählen von der Gorgona, einem Jüngling, wilden Tieren, Mut und natürlich auch von Liebe. Beinahe 50 Kinder sitzen im Veranstaltungsraum der Helene-Nathan-Bibliothek, und doch ist es merkwürdig still. Die Kleinen schauen gebannt zur Bühne, auf der „Der Sohn des Fischers“ eine Aufgabe bestehen muss, um die schöne Prinzessin für sich zu gewinnen.

Die Geschichte, die die Marburger Märchenbühne „Der Brunnen“ mit Hilfe von Licht und Schatten erzählt, ist Teil der 14. Berliner Märchentage, die noch bis zum kommenden Sonntag laufen. Zahlreiche Märchenerzähler, Puppenspieler, große und kleine Dichter und Zuhörer machen sie zum größten Märchenfestival der Welt: 650 Veranstaltungen an über 200 Orten hatten die Organisatoren zusammengestellt.

Nach Ägypten und Russland stehen diesmal Italien und Griechenland im Mittelpunkt des Geschehens. Unter dem Motto „Märchen, Mythen, Mittelmeer“ sollen für Kinder, aber auch Erwachsene die Sagen von Ovid, die Epen von Homer, Göttermythen oder das Märchen von Pinocchio zu neuem Leben erweckt werden.

Natürlich ist Unterhaltung da ganz groß geschrieben, aber das Festival soll auch an Werte wie Liebe und Freundschaft erinnern. „Es wird nicht mehr erzählt in der Familie“, bedauert Silke Fischer, die Direktorin der Märchentage. „Wie viele Kinder kennen überhaupt noch Märchen?“ In Zusammenarbeit mit den Bibliotheken, Schulen und staatlichen Museen Berlins sollen deshalb die Faszination für Märchen neu geweckt und Kinder zum Lesen ermuntert werden. Mit Erfolg, wie es scheint, denn viele dieser Veranstaltungen waren bereits ausgebucht, bevor das Programmheft überhaupt fertig war.

Doch was ist eigentlich so besonders an Märchen? „Dass der Held eben immer siegt“, sagt Margitta Günther (48) aus Neukölln, die beinahe so gespannt wie ihre achtjährige Tochter Justine das Schattenspiel über den „Sohn des Fischer" verfolgt. „Ein Kind weiß dann immer, dass das Gute gewinnt und das ist einfach beruhigend.“ Deshalb sei auch „Momo“ die Lieblingsgeschichte von Justine, „weil Momo den Menschen helfen kann.“

Doch auch für Erwachsene bieten die Märchentage eine Vielzahl verschiedenster Veranstaltungen an – einige sogar in absoluter Dunkelheit. So können Freunde der Nacht die Entstehung der Sternbilder als Schattenspiel oder im Planetarium unter künstlichem Sternenhimmel verfolgen. Und für die Experimentierfreudigen lockt das Dunkelrestaurant in der Brotfabrik mit einem Menü in Begleitung von Musik und Mythen.

Aber können Märchen auch noch auf Erwachsene solch eine Faszination ausüben, wie auf Kinder? Silke Fischer ist sich da ganz sicher. „Man muss sich nur einmal den Wirbel um Harry Potter, den Herrn der Ringe oder Star Wars anschauen – die Leute lechzen nach Märchen.“ Dies liege an den typischen Märchenthemen wie große Konflikte, Liebe, Tod und ein gutes Ende. „Je schlechter die Zeiten, desto größer ist der Drang nach Märchen, weil sie einfach beruhigen.

Die Besucherzahlen bestätigen das Konzept. Im vorigen Jahr kamen mehr als 75 000 Menschen zu den Märchentagen, um gemeinsam „Die Schatzkammer des Zaren“ zu öffnen. Und auch mit der bisherigen Resonanz der 14. „Berliner Märchentage" ist Silke Fischer sehr zufrieden. Sie ist „sehr zuversichtlich, dass wir auch dieses Jahr wieder über 75000 Besucher verzeichnen können“. Einen Wunsch habe sie aber dennoch, sagt die Direktorin der Märchentage: „Dass die Menschen sich immer noch für Geschichten interessieren und das Märchen weiterlebt. Denn uns steht ja noch die ganze Welt offen.“

Weitere Informationen unter der Telefonnummer 34 70 94 78 oder im Internet unter www.berliner-maerchentage.de

Janine Rabe

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false